Schwan von Oldenburg

wir nähern uns mit Troll der Schwan

Gestern wurde ich vermutlich ein (kleiner) Teil der Oldenburger Stadtgeschichte: Ich war als Crewmitglied an Bord des Schleppers Troll von Henning, um die Schwan von Oldenburg auf ihrer (vermutlich) letzten Reise zum Osthafen von Oldenburg zu schleppen. Dort wurde sie von zwei grossen mobilen Kränen aus dem Wasser gehoben.
Einge Tage vorher war ich schon an Bord der Schwan, um einen mutmasslichen Interessenten an der Übernahme des Schiffes beratend zu begleiten (seinen Namen nenne ich mal nicht 😉 , aber er hat sich gegen eine Übernahme entschieden). Es wurde etliches von Bord geräumt. Nicht nur, um das Schiff zu entlasten, „damit weniger Wasser reinkommt“ (O-Ton), sondern sicherlich auch, um natürlich zu verhindern, dass irgendwelche Umweltunverträglichen Betriebsstoffe ins Wasser kommen und um Wertsachen der Entsorgung zu entziehen. Für Kapitän Kruse steht eigentlich fest: Das Schiff muss verschrottet werden. Aus seiner Sicht eine vernünftige Feststellung: Angenommen, jemand würde die Schwan etwas blauäugig übernehmen, um dann nach einigen Monaten festzustellen, dass das doch alles nicht so schnell und günstig geht wie eigentlich gedacht, dann würde das Schiff irgendwo mehr oder weniger öffentlich vergammeln, weil es einfach nicht weitergeht. Und sowas fällt dann schnell zurück auf Herrn Kruse. Das will er natürlich nicht, sehr verständlich.

Was kann der Spass schon kosten?
Wer sich nur ein klein wenig mit Schiffen auskennt, der weiss: Eben mit nem Pott Farbe rüber reicht nicht. Man muss nur irgendwo eine Verkleidung abbauen und dahinter tut sich garantiert eine neue Baustelle auf. Für die Schwan liste ich mal eben ein paar Punkte auf, die kein Geheimnis sind:

  • Es gibt (mindestens) ein Leck, durch welches Wasser eindringt. Wo, weiss man nicht. Das kann eine Durchrostung sein, ein Riss durch Belastung oder Verformung, es kann aber auch ein vorhandener Rumpfdurchbruch sein, für die Wellen oder irgend ein Geber. Kosten? Zwischen wenigen Hundert und einigen Tausend Euro.
  • Dann sollte der Rumpf auch geprüft werden auf Materialstärke und Dichtigkeit. Kosten? einige Hundert Euro
  • Wenn man über das Deck geht, sieht man Augenscheinlich, dass hier und da etwas zu sehr durchgerostet und ggf. wieder übergemalt ist. Hier ist minimum kosmetische Pflege notwendig. Kosten? Farbe und Zeit, sicher x Hundert Euro.
  • Funktionale Aufbauten wie Winschen, Kräne etc. müssen begutachtet, Instandgesetzt oder entsorgt werden. Wieder einige Scheine weg.
  • Die Maschinen: Solide grosse Motoren, zwei Stück. Leider liefen sie seit einigen Jahren nicht mehr. Vermutlich nicht defekt, aber einfach Starten ist nicht. Und wenn sie mal laufen, dann saufen sie auch. Kosten? Mit Glück etliche Liter Motoröl, mit weniger Glück vollständige Revision und sinnvoll wäre eigentlich, komplett neue Maschinen einzubauen. Wirtschaftlich: Fast Wahnsinn. Und es ist noch eine weitere, kleinere Maschine als Generator vorhanden…
  • Innen: Wenn man es so rustikal lassen möchte, warum nicht? Spart Geld. Aber nicht Zeit: putzen, putzen, putzen. Und Putzen.
Wie auf U96 – der Kopf einer der Maschinen

Ob das nun am Ende 10.000,- Euro werden (eher unwahrscheinlich) oder 166.000, das weiss man eben erst am Ende. Und wenn das Ende in weiter Ferne liegt, dann wird’s immer teurer. Dazu kommen dann Liegekosten an Land und ggf. auch später im Wasser, das Kranen an sich (etliche 1000 Euro), Löhne für helfende Hände, Versicherung, Ver/Entsorgung von Frisch- und Brauchwasser, Kraftstoff usw.

Die letzte Fahrt
Circa 13:00 sollte Hochwasser sein, das ist also die ETA am Osthafen, weil man natürlich dann besser kranen kann. Wir waren schon um 9:30 Uhr am Stau und es wurde noch einiges getüdelt und besprochen. Wichtig war eine gute Tau-Verbindung zwischen Schlepper und Schwan, immerhin würden hier zig dutzend Tonnen Stahl bewegt werden. So gab es Leinenverbindungen, die für den Ahnungslosen wie ein kaputtes Spinnennetz ausgesehen haben müssen, dabei waren es im Wesentlichen nur Vor- und Achterleine neben den Springs. Aber drei dicke Leinen auf zwei Pollern geben eben ne Wuhling…
Um 11:00 wurde durch Kapitän Kruse persönlich (er trug immerhin die Verantwortung für das ganze Unternehmen) die Eisenbahnbrücke Oldenburg angefunkt. Nächste Öffnung 11:38. Das schaffen wir! Das kleine Ausbildungsboot Schlingel mit Skipper Jürgen und seinem Volvo-Penta-Motörchen sollte uns von der Spundwand wegziehen und die Drehung unseres Schleppverbandes einleiten und schaffte das sogar. Mit einem Knoten Fahrt (gegenan!) näherten wir uns der Brücke. Das „kommt erstmal näher ran“ sparte man sich, jeder wusste Bescheid 🙂 und stattdessen wurde von der Dame auf der Brücke über Funk gefragt: „Ist das wirklich die letzte Fahrt oder gehts doch weiter?“. Der Kapitän konnte das nicht ehrlich beanworten, aber für ihn war es ganz sicher die letzte Fahrt auf der Schwan… das Wetter wirkte wie insziniert: Leichter Nebel lag über allem, es war nicht warm und nicht kalt, die Wasseroberfläche war fast wie Öl und selbst das Plätschern der Wellen an den Rümpfen schien etwas betrübt zu uns hochzuklingen.

Bald näherten wir uns der Pier, Henning hat uns wunderbar sanft rangeschoben und es mussten nur noch die Festmacher über die Poller geworfen werden.

Schwan, Troll und Schlingel am Osthafen

Der schwebende Schwan
Nun mussten alle auf die grossen Auto-Kräne und deren Positionierung und Montage warten und gegen halb drei wurde es dann ernst: Die langen Stahlseilschlaufen wurden über Bug und Heck gezogen, alles zehnmal von jedem kontrolliert und mit bewundernswertem Feingefühl hoben die Kranführer die (man möchte fast sagen „wehrlose“) Schwan aus ihrem Element.

Der Schwan schwebt

Vielleicht war dieses ja doch nicht die letzte Fahrt für unseren Schwan von Oldenburg. (Nachtrag: Wer es wissen möchte: Hier schrieb ich darüber)

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