Gestern schrieb ich noch „…und gucken, was passiert und was kommt“. Heute morgen wachten Angela und ich sehr früh auf und checkten erstmal das Wetter: An den Vorhersagen hatte sich nichts geändert. Nun hiess es abwägen.
Aus Erfahrung weiss der Segler: Der Wind kommt immer etwas vorlicher als angesagt, bzw. als man glaubt. Das hat einen einfachen Grund: Wir erzeugen Fahrtwind. Und diesen addiert mit dem wahren Wind ergibt den so genannten scheinbaren Wind. Ein Beispiel: Angenommen wir kriegen den Wind genau von der Seite, 90°. Der Wind weht mit 7kn und wir machen auch 7kn Fahrt. Dann wäre der „Bordwind“ genau von 45° und fast 10kn schnell (Pythagoras: 7 hoch 2 * 2 =98, daraus die Wurzel sind knapp 10).
Wir wollten nun in die Elbe, unser Kurs wäre im besten Fall ca. 120° gewesen. Angesagt war Südwind, eher sogar Südwest. Das bedeutet für uns: Kein schöner Halbwind- sondern ein AmWind-Kurs, auch wenn wir nicht so schnell wie der Wind sind. Könnte klappen. Aber die Zusatzherausforderung sind die Wellen, die durch die Deutsche Bucht laufen. Da ist noch die Restdünung von den letzten stürmischen Tagen und neue Windsee. Vorhergesagt waren so 1,4m Wellenhöhe.
Morgen dagegen soll der Wind schön auf West drehen, ideal! Allerdings mit 7er Böen dazwischen. Wir wippten die Köpfe und pressten die Lippen an die Zähne: Noch in der Koje beschlossen wir: Lass es uns heute versuchen! Es war gerade mal halb acht. Ich machte Frühstück, wir schmierten uns extra Brötchen für unterwegs und dann legten wir ab. Zwei, drei andere Boote waren schon los. Die einen wollten es nach Bremerhaven versuchen. Respekt, genau gegen den Wind! Um 9:15 Uhr waren wir so weit: Ein Segelkamerad half uns beim Ablegen, indem er das Heck etwas in die richtige Richtung zog, damit wir rückwärts nach rechts vom Steg wegkommen. So konnten wir vorwärts aus der Boxengasse gleiten. Wir fuhren erstmal aus dem Südhafen. Da kam uns der Segler, der nach Bremerhaven wollte, schon wieder entgegen. Ich winkte nett. Nun bog ich Richtung Binnenhafen ab. Und auf dem kurzen Stück rollten schon die Wellen aus Süd an und warfen uns zur Seite. Das war nicht schön und unsere Fahrt ging von knapp 5kn runter auf 3,x. Aber im Binnenhafen war es geschützt wie in einem Vogelnest. Es war Niedrigwasser und rundum hohe Mauern beim Tankponton. In aller Ruhe tankten wir (wenn man das dort kennt dann weiss man, dass man mit Eile und Hektik nicht weiter kommt). Gut 52 Liter bekam ich in Tank und Kanister. Das lohnt sich bei 1,18 Euro pro Liter.
Nun zogen wir unsere Öljacken und die Rettungswesten an und legten ab. Erstmal um die Ecke war es noch ruhig. Aber dann ging es los: Wir müssen zunächst ziemlich nach Süden fahren, beim betonnten Fahrwasser bleiben, bevor wir auf Kurs gehen konnten. Und nun hiess es: Fast genau gegen Wind und Welle an! Die Swantje hoppelte tapfer durch die See und schaufelte mit dem Bug immer wieder Wasser aufs Deck. Die Tonnen konnte ich nur sehen, wenn wir einen Moment weder oben noch unten waren. Gut, dass wir so ein hohes Süllbord ums Cockpit haben, da bleiben wir zumindest trocken. Aber das war echt ein Kampf! Ich hatte zwar keinen großen Ruderdruck, musste aber das Boot immer wieder auf Kurs bringen, wenn eine Welle uns wegwuppte. Ein Blick aufs Echolot: 9m. Weiter draußen im Tiefen würde es hoffentlich nicht ganz so hackig sein… aber wohl fühlten wir uns beide nicht. Soll das jetzt Stundenlang so weiter gehen? Müssen wir uns das antun? Nee! wir beide hatten jetzt schon die Schnauze voll. Beherzt zog ich die Pinne rum, wir ritten wieder in den Südhafen. Da fuhr gerade einer raus. Was für ein hin und her!
Um halb elf waren wir wieder fest. Nun liegen wir wieder dort, wo wir neulich schon lagen. Ich schnackte kurz mit den Bremerhavenern: Die waren bis zur Tonne Helgoland Ost gekommen, aber das ging auch gar nicht. Tja, Leidensgenossen. Im Stromkasten war wieder Guthaben verfügbar – dieses mal 1,67 Euro – und nachdem wir Klar Schiff gemacht hatten, aßen wir unsere belegten Brötchen und tranken ein Anlegebierchen. Morgen versuchen wir es noch mal und sonst warten wir bis Dienstag, wo wir dann wahrscheinlich wegen dem Schwachwind motoren müssten! Es bleibt spannend…
Jetzt gerade, wo ich das schreibe, kommt die Sonne raus, es wird warm und eben haben zwei Yachten aus Hooksiel hier festgemacht. Die hatten bestimmt eine tolle Fahrt mit dem achterlichen Wind!
Der Sonnenschein und der einschlafende Wind machen einen gerade verrückt: Hätte man nicht doch…? Aber wie sang schon Hans Albers: Zurück darf kein Seemann schauen! (Und im Museum waren wir hier auf Helgoland auch noch nicht).