Vor vielen Monaten, noch daheim, während der Planung zu unserer Reise, sagte unser lieber Freund Axel, der schon fast alle Weltmeere besegelt hatte: „…und dann seid ihr in einer Bucht und ankert dort, und es ist so schön da. Und ihr wollt gar nicht weiter. Das ist auch nicht schlimm, denn es ist überall gleich schön, schöner wird es nicht mehr!“
Damit hat er vermutlich weder Sassnitz noch Lohme gemeint, aber wir erinnern uns gerne an diesen Ausspruch und verwenden ihn als Begründung, wenn wir wo anders hinfahren als zunächst geplant. Nach unserem kleinen Wellenreitertrip gestern wollten wir ja heute nach Lohme weiter. Das ist dann noch mal ein deutlicher Schlag von über 37 Seemeilen. Alles mach- und schaffbar, aber: Nö, warum? Es ist wenig Wind vorhergesagt, also müssten wir zumindest als Unterstützung den Motor mitlaufen lassen. Unser Tank ist zwar noch halb voll. Aber er wird mit jeder Motorstunde leerer. Und in Thiessow haben wir nicht getankt. Dort gibt es zwar eine Tanksäule am Hafenbecken, die ist aber nicht in Betrieb. Dafür kann man bei einem Fischer, der drüben Fisch räuchert und verkauft, seine Kanister füllen. Der konnte aber aus seinem Fischladen nicht weg und war ganz betrübt. „Wollt ihr denn heute noch los?“ fragte er besorgt. Auf Angelas abwinkendes „Ja, aber bis Sassnitz wird das noch reichen…“ kam ein „ehrlich, seid ihr sicher?“. Nett und fürsorglich. Hinweis am Rande: Ich fange an, über Nachschub nachzudenken, wenn gerade mal ein Drittel aus dem Tank raus ist. Aber der hat 100 Liter Volumen, und bei dem geringen Verbrauch unserer Slocum kommen wir da wirklich weit mit. Und 10l Reserve haben wir ja auch noch verstaut.
Nach Sassnitz ist es erstmal der gleiche Weg wie nach Lohme. Nur, dass man nicht mehr aus der Preroer Wiek raus muss. Mehr als 10 Meilen weniger (klingt komisch, der Satz, ist aber so). Das sind bei dem geringen Tempo einige Stunden Fahrtzeit. Der Wind war so flau, die See war so glatt. Kein Vergleich zu gestern. Wir legten gegen halb zwölf ab, holten schnell das Groß hoch (mache ich fast lieber als das Vorsegel, weil es bei wenig Wind nicht so schlägt) und tuckerten um die flachen Stellen den Tonnen entlang. Hier und da schnibbelten wir unseren abgesteckten Kurs, weil ich den wirklich konservativ vorsichtig gewählt hatte. Und warum sollte man nicht über eine Stelle mit 4m Wassertiefe fahren, nur weil dort unten irgendwo Steine liegen? Da machten mir die Fähnchen für die Fischernetze mehr Sorgen, aber dazu gleich 🙂
Mit Segel und Maschine machten wir auch um die 4,5 Knoten Fahrt. Noch vor 18 Uhr würden wir das Ziel erreichen, wenn es so weiter geht. Wir mussten dann an zwei Untiefentonnen vorbei und nach links abbiegen, um aus dem Greifswalder Bodden am Tonnenstrich entlang raus zu kommen.
An dessen Ende nähert sich unserem Boot ein Küstenwach-Schiff. Gerade, als ich mich gemütlich lang im Cockpit gemacht hatte. Angela hatte eigentlich Sorge wegen Ausweichen etc., aber die wollten was ganz anderes: Durch das Fernglas sah ich schon eine Person auf dem Vorschiff mit einem Megaphon in der Hand. Und als sie nur noch 20 m weit weg waren, rief sie, ob wir unseren Kurs bitte etwas nördlicher wählen könnten, weil wir sonst in den Sicherheitsbereich des Kabellegers kämen. Letzteren sah man in deutlicher Entfernung, gezogen von zwei Schleppern. Meine Antwort: Hand deutlich heben, um Verständnis zu signalisieren. Und dann zweimal minus 10 auf Andreas gedrückt: 20 Grad Kursänderung Richtung Norden. Damit so ziemlich mitten durch das in der Seekarte bezeichnete „Stellnetz-Gebiet“. Hier hatte ich sauber drum herum geplant, denn lieber fuhr ich eine Meile mehr, als mich in irgendwelchen Reusen zu vertüdeln. Die Küstenwache sah das wohl nicht so eng. Die mussten da aber auch nicht durch.
Was wir nun ganz raffiniert machten: Weiter innen überholte uns eine etwas größere Segelyacht seit einer Weile und wir manövrierten uns in sein Kielwasser. Wo der durchkam, kämen wir auch durch 😉
Zu erst noch beobachtete ich die Fähnchen, an denen wir vorbeifuhren. Würden sie auf einmal unter Wasser gezogen? Aber nein, nichts geschah. Man gewöhnt sich dran, ich legte mich wieder lang.
Als ich wieder hoch kam hatten wir dieses Fischergebiet schon hinter uns und Backbord am Ufer konnte man, wenn man es wusste, mit dem Fernglas durch die Bäume die große Prora-Anlage sehen. Ich finde die nach wie vor sehr beeindruckend.
Sassnitz war auch schon in der Ferne zu sehen und obwohl wir seit einiger Zeit auch das Vorsegel stehen hatten, kamen wir nicht mehr auf 5 Knoten Fahrt. Aber was soll die Eile? Es war nicht heiss, es war nicht kalt, es war nicht zugig und es war noch genug Diesel im Tank… so konnte man lange weiter schippern.
Irgendwann bogen wir hinter die Mole ab, tuckerten am zweiten Steg vorbei bis zu Steg eins und dort bog ich in eine freie Box ein, die schön gegen den Wind ausgerichtet war. Einfach aufstoppen und den Tampen über die Dalben… hey, die waren aber hoch! Ist hier Tidenrevier oder was soll das? Na, die rechnen wohl mit größeren Booten. 17:01 Uhr waren wir fest.
Hier liegt man gut! Steg und Mole werden Abends noch lange von Sonne beschienen, die WCs und Duschen scheinen recht neu zu sein und die drei Minuten warme Dusche für einen Euro dauern hier länger als anders wo. Zwei Nächte werden wir hier bleiben. Morgen holen wir noch Diesel von der Bootstankstelle, kaufen Proviant ein und geniessen die Zeit. Schreiben brauche ich ja dann erstmal nix mehr 🙂