U24a – falsch, aber richtig gemacht

Ich bin es immer, der predigt: Hier im Revier nicht gegenan fahren, wenn es nicht notwendig ist (wie z.B. auf dem Weg nach Wangerooge), sondern die Tide für sich nutzen.

Am Freitag, den 16.08. war um 16 Uhr Niedrigwasser beim Leuchtturm Alte Weser. Also wäre ideal gewesen: Die Schleuse um 14 Uhr nehmen, schon mit dem noch ablaufenden Wasser die 12sm zum Heinrichpunkt fahren und dann mit dem wieder auflaufenden Wasser flott die Weser hoch nach Bremerhaven. Aus diversen Gründen kamen wir aber nicht rechtzeitig zuhause los. Okay, es gibt ja genug Alternativen, um nach Bhv zu kommen: Wir könnten am nächsten Vormittag über die Kaiserbalje in die Weser fahren. HW Fedderwardersiel 11:30 Uhr. Theoretisch hätte man auch nachts darüber fahren können, aber dort im Dunkeln durch? Nee.
Die nächste Möglichkeit: Mit der letzten Schleuse raus, gemütlich bis Minsener Oog schippern, und dort ankern, bis früüüh morgens wieder Niedrigwasser ist; 4:28 Uhr. Wir wären irgendwann gegen acht im Ziel gewesen. Aber dann ist man so unausgeschlafen. Also doch die planerisch „falscheste“ Möglichkeit wählen: Wir verstauten alles an Bord, legten ab und fuhren der 17 Uhr-Schleuse entgegen. Draußen läuft das Wasser schon ordentlich auf. Ich wusste: Nun schaffen wir es nicht in zwei Stunden bis zur Weser, mit etwas Glück wird es eher drei Stunden dauern. 4kn über Grund muss man gegen den Strom erstmal schaffen. Zumal der relativ schwache Wind noch aus der bei Seglern am meisten vorherrschenden Richtung kommt: Von vorn. Echt, genau aus der Richtung, in die wir wollten! Es gibt so viele Himmelrichtungen, so viele Gradzahlen, aber nee. Selbst 30 Grad Änderung zu irgendeiner Seite hätten ausgereicht. Naja: Immerhin Wind und Strom aus einer Richtung, das gibt glattes Wasser. So kreuzten wir in langen Schlägen die Jade raus, immer nur knapp bis ins Fahrwasser und auf der anderen Seite bis ans Flach, soweit unser Echolot das anzeigen konnte. Der leichte Knick in der Jade sowie die mögliche Kursänderung hinter dem Flach halfen uns dabei. Sehr hoch am Wind, nur mit Groß und Maschine mit gut 1800 Umdrehungen schafften wir es teils sogar über 4 Knoten. Und beim Heinrichpunkt konnten wir nochmals ordentlich schnibbeln, weil es ja schon 2 Stunden vor lokalem Hochwasser war. Angela war das nicht ganz geheuer, aber ich vertraute den Tiefenangaben in den Navionics-Karten an dieser Stelle. So sparten wir nicht nur eine Meile, sondern mit jeder 10Grad-Kursänderung wurden wir schneller. Als wir nach Osten fuhren, hatten wir schon 5,5 Knoten drauf. Klasse! Ein netter Wettereffekt war, das wir die ganze Zeit schönes, sonniges Wetter hatten. Hätten wir gewusst, dass es in Oldenburg zu dem Zeitpunkt ziemlich übel am regnen war, wir hätten uns noch mehr über „unser“ Wetter gefreut 😉
Als wir dann endlich auf der Weser und auf Kurs waren, da machten wir sogar eine Weile über 7kn Fahrt. So änderte sich die von Navionics berechnte Ankunftszeit (ETA) schnell von 2:45 auf ca. 0:00 Uhr. Die Weser hoch fahren ist von Vorteil, weil wir dann „mit der Tide“ fahren. In Bhv ist ca. eine gute Stunde später Hochwasser als draußen bei den Türmen. Und was war das für eine schöne Überfahrt! Das Wasser war so ruhig, so glatt (bis auf ganz etwas alte Dünung draußen). Und weil wir den schwachen Wind nun achterlich hatten und dieser auch noch nachliess, holten wir das Groß nun rein. Noch war es hell, das nutzt man doch aus.
Über unseren Heckkorb blickend genossen wir gemeinsam mit Konrad gegen kurz vor neun den herrlichen, durch nichts gestörten Blick auf den Sonnenuntergang, wie sie vom Himmel hinter dem Horizont verschwand. War es nicht erst letzte Woche, als wir auf Wangerooge die Mittsommernacht bewunderten? Leider ist das doch schon etwas länger her.
Wir konnten jetzt zwar nicht segeln, aber es war eine herrlich ruhige Überfahrt. Und Nachtfahren haben ja immer etwas besonderes! Ich bin die Weser schon sehr oft rauf und runter gefahren, aber Nachts sieht alles anders aus. Und die Navigation – also das finden der Tonnen – wird besonders anspruchvoll, weil die taghell beleuchtete Columbus-Kaje, die man schon von sehr weit sehen kann, immer irgendwie mittendrin ist. AIS sei Dank sahen wir kommende Großschiffe immer schon rechzeitig. Die beiden von Bhv kommenden Kreuzfahrtschiffe sowieso, die waren auch rundum hell erleuchtet. Ein Frachter, von vorn kommend, überdeckte mit seiner Silouette erst verwirrend die leuchtenden Kräne, aber das klärte sich schnell auf. Hier wird fast vergessenes SBF-Wissen über die Lichterführung wieder aktiviert! Also erkennt man neben einem Seitenlicht etwas höher noch zwei weisse: Aha, ein großer Frachter kommt uns entgegen, AIS bestätigte das natürlich. Ich ändere den Kurs am Pinnenpiloten ein wenig, weil hier das Fahrwasser recht schmal war und als er vorbei war, da gingen wir vierkant durch seine Heckwelle, während wir guckten, ob wir nicht vielleicht eine Tonne übersehen hätten. Wenn man nämlich bei Navionics über eine bestimmte Stufe heraus-zoomt, dann werden nicht mehr alle Tonnen angezeigt! Das muss man wissen….

Bremerhaven leuchtet die Weser hoch

Und draußen ist nur jede zweite Tonne befeuert. Die kleinen grünen Spitztonnen kann man eigentlich erst erkennen, wenn sie sich gegen den etwas helleren Horizont schwach abzeichnen. Dann sind sie meist schon neben einen. Als Bonusrätsel gab es noch ein vermeindliches Seezeichen, welches ständig die Beleuchtungsfarbe änderte: Es war das Riesenrad vor dem Atlantic-Hotel, welches mit tausenden LEDs und raffinierte Lichtershow geschmückt war. Natürlich, es gibt doch keine blau- oder pinkbeleuchteten Tonnen da draußen, oder?

Was uns angenehm überraschte: Wir machten bis zur Columbus-Kaje wirklich noch gute Fahrt, hatten locker 6 Knoten und mehr drauf. Das Wasser strömt hier gut und vor allem auch noch einige Zeit nach! Immerhin muss bis nach Bremen noch einen Meter mehr Tide auflaufen…. Um 0:06 Uhr funkte ich dann die Kaiserschleuse an, welche prompt für uns die Schleuse zum Neuen Hafen öffnete. Da diese innen beleuchtet ist, ging alles einfach wie gewohnt. Oben am Rand saßen Gäste der Maritime Woche, prosteten uns zu und wünschten uns eine gute Weiterfahrt!
Der Hafen war wie erwartet pickepackevoll. Wir gingen neben Steg G an die Pier, wo neben einem Segler noch Platz für die Swantje war. Um 0:38 Uhr waren wir fest und gönnten uns in aller Ruhe in der warmen Nacht noch ein Anlegenbierchen. Und noch eines, auf den gelungenen Urlaubsstart. Bis hier hin: Alles richtig gemacht!

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