Die besondere Segelyacht: Slocum

Der Name Slocum* passt irgendwie perfekt zum Boot, zumal die Segelnummer im Gross 1895 lautet 🙂

Kielyacht, Baujahr 1968, Baunummer 1 und es gibt keine 2: Einzelbau!

Laut dem Voreigner Peter Niemann (der leider verstorben ist) wurde diese schöne Yacht in den Dünen von Wangerooge gebaut (siehe unten).

Länge 32 Fuss / 9,80 Meter
Breite 2,65 Meter
Tiefgang 1,40 Meter (eher 1,30m**)

Mir ist nicht bekannt, welche Maschine ursprünglich verbaut wurde, aber seit 1983 verrichtet ein Bukh DV 20 seinen Dienst. Mit 20PS eigentlich nur ein Hilfsmotor, muss er bei den Strömungen in unserem Revier manchmal schon kräftig ran. Aber er schafft das gut!

*Joshua Slocum segelte 1895-98 als erster Mensch allein (einhand) um die Welt.
** Ich schreibe noch einen Artikel darüber (vielleicht…)

Wie Slocum entstand

Vermutlich mehr Legende als Wahrheit 🙂 , aber durchaus erzählenswert:
Irgendwo in den Dünen auf Wangerooge (angeblich existiert noch eine alte Seekarte mit einer Markierung an der entsprechenden Stelle) wurde direkt in den Sand die Form für den Rumpf gegraben und modelliert und genau dort vor Ort wurden die einzelnen Glasfaser-Schichten von Hand einlaminiert. Als Ballast tief unten im Kiel wurden Schienenteile von der Bahn, die zum alten Wangerooger Ostanleger führten, verwendet. Sieht man die Breite des langen Kiels an Land, dann will man das gerne glauben… So entstand die Form des Rumpfes der Slocum, die damals noch nicht so hiess, nach und nach in der freien Natur.
Jetzt kommt der wahrhaft legendäre Teil, wo man lieber nicht drüber nachdenkt, ob man das glauben will sondern sich einfach mitreissen lässt von dieser unglaublichen Szene:
Als alles soweit fertig war, da grub man einen breiten Graben zum Ufer hin, machte einen Durchbruch zur Wasserseite und mit der steigenden Tide füllte sich der Graben und die Grube langsam mit Wasser. Das Boot schwamm auf, fuhr durch den Graben gen See und wurde damit dem bestimmungsgemässen Element übergeben…. cool, was?

Die Griffe am Niedergang sollen von einer alten Kirche auf Wangerooge stammen (hat mir der Voreigner persönlich erzählt).
Tatsache ist: Der Korken der Sekt-Flasche für die Taufe befindet sich noch an Bord! Ich werde entsprechende Bilder noch nachliefern…*

Interessant:
Hier sind Fotos vom tatsächlichen Bau zu finden: Klick

Nachtrag: Der Sohn vom Erbauer hat im Gästebuch auch noch interessante Infos hinterlassen: Klack (Danke, Gerd!)

Der Verkauf
Folgend der Text aus unserer Verkaufsanzeige der Slocum:

***

Auf Wangerooge wurde sie gebaut, um damit die Welt zu umsegeln. Wie so oft kam es dann ganz anders. Zur Geschichte der Yacht kann man in unserem Blog einiges lesen. Hier erstmal die Eckdaten:

  • Baujahr 1968 (Baunummer 1, auf Wangerooge durch Ernst Gerdes)
    (echt dickes GfK, da scheint keine Sonne durch!)
  • 32 Fuss (9,80m) lang
  • 2,70m breit
  • Tiefgang 1,30m
  • Gemässigter Langkieler
  • Verdrängung ca. 5.500 Kg
  • Unterwasserschiff Winter 20/21 neues Antifouling
  • Alu-Mast ca. 10m mit einem leicht gepfeiltem Salingpaar
  • Robuste Einbaumaschine Bukh DV-20 mit 100Liter Tank im Kiel (relativ leicht entnehmbar), Wellenantrieb mit 3Blatt-Festpropeller, neue Johnson-Wasserpumpe
  • 5 Schlafplätze: 2 Kojen im Vorschiff, 2 durch Umklappen verbreiterbare Salonkojen, 1 tiefe Hundekoje
  • Stehhöhe (1,90m!) in der Kajüte
  • Pantry mit Gas- bzw. Spirituskocher (Origo), zwei tiefe Spülbecken, Schrank für Pött un Pann (Geschirr, Besteck etc. bleibt an Bord)
  • Jabsco-Pump-WC mit Waschbecken im Vorschiff (mit Trenntür zum Salon)
  • Besegelung / Rigg: gelattetes Großsegel (2x, eines letztes Jahr vom Segelmacher durchgeguckt), Rollgenua 130% auf Furlex Rollanlage (komplett neu in 2019), doppeltes Vorstag auf Wippe, das zweite Vorstag mit Toppreff-Rollanlage für Stagreitersegel, dazu Sturmfock, Blister (fast Regenbogenbunt mit Segelnummer 1895), weitere Vorsegel (muss ich noch durchgucken, welche), isoliertes(!) Achterstag mit schnellbedienbarem Spanner, zwei Unterwanten-Paare, zwei Oberwanten
  • Baum- und Fockpersenning
  • Relingkleider
  • Außenliegende lange Genuaschienen
  • langer Spibaum (auch zum Mastlegen mit Bordmitteln!)
  • Sprayhood (komplett neu in 2020 vom Segelmacher)
  • Elektrik: 2x 100Ah Batterien (eine 2021 neu), zwei Solarpanele 50W, Solarladeregler mit USB, Positionslichter, zahlreiche (hübsche) Lampen in der Kajüte, Salon- und Vorkojenbeleuchtung in LED (wird ja am meisten gebraucht), modernes Autoradio mit Stereolautsprechern, SD-Slot etc., Lowrance-UKW-Funkgerät DSC und ATIS (Nummern und Rufzeichen können übernommen werden!), gekoppelt über NMEA (für GPS) an Garminplotter GPSmate 620 (abnehmbar mit Akku!), für UKW-Funk extra vom Mast unabhängige Heckantenne, GPS-Logge, NASA-Echolot (beides im Cockpit), ich gebe noch einen AIS-USB-Stick mit eigener Antenne (laaanges Kabel) mit dabei, funktioniert prima mit z.B. OpenCPN, WeatherInfoBox (WIB2?) mit DWD und Navtex, Pinnenpilot Autohelm2000, Ersatz-Pinnenpilot (Vorgängermodell), hab bestimmt noch Elektrisches vergessen
  • Kugelkompass
  • Bronze-Ankerkettenwinde auf dem Vorschiff inkl. Seilwinde (z.B. zum Mastlegen)
  • Bruce-Anker 10Kg (hält nachweisbar prima in Weser, Jade, Schlei, Hiddensee und dänische Südsee…) mit über 30 Meter(!) 8mm Edelstahlkette, zweiter Anker (Klappdraggen mit Kettenvorlauf in Backskiste (in der Kieler Förde getestet))
  • riesige Backbord-Backskiste inkl. Reservekanister, Festmacher, Tampen, wichtige Dinge (Fenderbrett und Regenschirm…),
  • hübsche Holzgräting/Auflage im Cockpit
  • Im Heck weiterer Stauraum mit Deckeln (riesig)
  • Unter den Salonkojen weiterer Stauraum
  • Schrank im Vorschiff mit Kleiderstange
  • Bootsmannstuhl
  • zig Fender, Sichtzeichen Ball und Kegel
  • Bronze-Bullaugen
  • Bronze-Klampen
  • Edelstahlpoller im Heck
  • Kennzeichen f. Kl.fhz als Schnitzerei am Heck (Hingucker!)
  • Bug-/Heckkorb aus Edelstahl
  • Scheuerleiste
  • mehrere Kisten an Bord mit Werkzeug und Ersatzteilen
  • weitere Kisten mit Farben etc. bei Übernahme
  • Schlauchboot Loadstar (vermutlich mit winzigem Loch) mit aufblasbarem Boden
  • auf Wunsch gratis dazu: Luftgekühlter 3,5PS Außenbordmotor (China)
  • AB-Halter am Heck, klappbar (Eigenbau)
  • Bimini, gut verstaubar, schnell aufzubauen

Beim Schreiben der Liste mit den „Eckdaten“ merke ich, was so alles dabei ist. Muss man das alles so detailliert aufzählen? Zu fast jedem Punkt könnte ich eine kleine Geschichte erzählen, auf Details besonders hinweisen.
Mal was zum Boot an sich: Die Slocum ist (natürlich) eine Yacht mit klassischen Linien. Wer schon mal diverse Boote gesegelt ist, der weiß: Solche Rümpfe schneiden schön durchs Wasser, auch bei ordentlich Wellengang. Die Überhänge vorn und hinten verhindern, dass hoher Seegang überkommen kann und der tiefliegende schwere Ballast sorgt für Stabilität bei jedem Wetter. Da sie recht rank ist, weicht sie dem starken Wind zur Seite aus, statt sich ihm zu widersetzen. Dadurch macht sie dann etwas mehr Lage als breitere Boote, liegt dann aber stabiler und es wird Bruch vermieden! Laut dem Sohn vom Vorbesitzer ist sie definitiv untertakelt (der Baum wurde vor langer Zeit mal gekürzt). Ich kann das nicht gut beurteilen, aber die Slocum muss bei einer Fünf noch nicht gerefft werden… da springt sie mit ihren gut 5 Tonnen erst richtig an. Die findet ihren Weg nach Helgoland fast von selbst! Wir haben sie aber auch schon bei 2 Bft auf dem Hooksmeer gesegelt. Sie braucht nicht viel Fahrt, um aufs Ruder zu reagieren und ist sehr gut ausgewogen: Auch unter Segel kann man die Pinne ruhig mal eine halbe Minute loslassen, die Slocum läuft weiter wie auf Schienen. Das alles macht sie auch zu einem guten Anfängerboot, denn sie verzeiht viele „Fehler“ durch eine gewisse Trägheit, oder besser: Gutmütigkeit. Wir segelten sie von Stavoren bis Stralsund, von Bremen bis Bogense, von Fedderwarden bis Flensburg, von Borkum bis Bornholm und hatten immer eine schöne Zeit!

***

* Der neue Eigner Peter Hänsgen hat die Slocum in Oldenburg am Tag der Übergabe (12.07.2022, ich fuhr das Boot noch als Skipper zum Osthafen) aus dem Wasser kranen lassen, auf einen Tieflader gestellt und nach Kroatien transportieren lassen. Dort soll sie Peter hoffentlich noch einige Jahre erfreuen. Wenn ihr dort seid, könnt ihr euch ja mal umschauen….