U24j – Murmeltierurlaub

Verdammt. Alle Jahre wieder: Wir wollen nach Holland und tausend Sachen kommen dazwischen. Wenn ich nicht schon abergläubisch wäre: Ich würde es nun werden.

Aber gut, positiv denken: Wir haben Freitag, den 12. Juli 2024, der Urlaub ist noch nicht mal eine Woche rum, es ist noch nicht mal acht Uhr, der Motor läuft, das Echolot zeigt sinnvolle Werte an, der Wetterbericht ist zwar nicht geil, aber nicht abschreckend. Die letzten Tage war auch eher Südwind, da sollte draußen kaum Dünung sein? Los ging die Reise! Angela legte ab und ich übernahm die Pinne, damit sie Fender und Festmacher klarieren kann. Pinne schaffe ich auch mit meinem Rücken. Der Norderneyer Hafen war noch in Morgenruhe, an den Stegen und an der Pier nix los.
So tuckerten wir aus dem Hafenarm, bogen rechts ab und folgten dem roten Tonnenstrich. Nach der zweiten Tonne konnte ich in der Ferne am Horizont Brandung erkennen. Erstaunlich! Das war Richtung Schluchter, das in letzter Zeit sehr berüchtigte Seegatt. Okay, wir waren nun auch zwei Stunden später hier als geplant, es war schon viel Wasser abgelaufen, in bald zwei Stunden würde hier Niedrigwasser sein. Aber trotzdem solche Brandung? Was war draußen los? Und warum? wir fuhren weiter ums Westende, quasi Richtung Milchbar und vorn sahen wir eine Yacht, die fuhr hinein ins Dovetief. Mann, was ging der Mast hin und her! Aber gut, ist halt flach hier, da bauen sich die Seen auf.
Hätten wir vorher gewusst, was gleich auf uns zukommt; wir wären umgedreht. Aber wir wussten es nicht, ahnten wenig und fuhren weiter. Ab der Tonne D6 macht das Fahrwasser einen Knick in Nordöstliche Richtung und nach links ist es mit einer grünen Tonne begrenzt. Und die wurde, wie wir nun sahen, fast von brechenden Wellen überrollt! Ogottogott. Also weit über einen Meter waren die hoch und kamen kurz nacheinander. Pingelichst achteten wir darauf, nicht vom Tonnenstrich vertrieben zu werden und bei jeder Welle drehte ich unseren Kurs 30 Grad in die Welle hinein, um sie auszureiten und nicht quergedrückt zu werden. Was für ein Ritt!
An der roten D4 wurde es noch lange nicht ruhiger und ein Stück bis fast zur D2 wollten wir noch, um ausreichend tiefes Wasser zu haben. Die Ansteuerungstonnen liegen immer auf 10m und soweit fuhren wir auch raus. Echolot sei Dank! Aber man merkt auch so, wenn die Dünung nicht mehr so „schwer“ rollt. Dann bogen wir nach Westen. Es war Nordwind vorher gesagt, also hatten wir fast halben Wind. Aber nur wenige Knoten stark, die Maschine schob weiter mit. Wo es ging, holten wir auch die Fock raus und machten auch gute 6 Knoten Fahrt. So konnte man es aushalten: Wir machten Strecke, Swantje rollte zwar in der Dünung, machte uns aber nicht das Leben schwer. Der Pinnenpilot steuerte und hatte sich auch bald auf die Dünung eingependelt.

Aber es gibt einen „Haken“, wenn man außen rum nach Borkum fährt: Man sieht die Insel bald, besonders die markanten Türme, aber man kann bzw. darf sich ihr nicht nähern. Es ist ein Riff vorgelagert, welches man meistens meiden sollte. So wie heute. Bei der Dünung wäre es Selbstmord, da näher ran zu fahren. Dann lieber einige Meilen mehr machen. Das allerdings bedeutet: Wenn die Tide vorher kippt, dann werden die Meilen zäher. So auch heute. Die gute Nachricht: Der Wetterbericht hatte sich wegen dem Regen getäuscht. Die schlechte Nachricht: Der Regen kam eher. Zwar nicht stark, aber nervig. Bis dahin versuchte ich, im Cockpit möglichst lang und flach ausgestreckt zu liegen. Rücken, ihr wisst schon. Mit dem Regen kauerte ich mich mit zwei Kissen so weit unter die Sprayhood wie möglich und hielt auch mit Ausschau nach Tonnen, Schiffen etc., wenn Angela mal nach unten ging. Wir beide guckten schon immer, wo man vielleicht etwas eher ums Flach Richtung Ems abbiegen könnte, aber viel war da nicht zu schnibbeln. Doch jedes Warten hat mal ein Ende und irgendwann konnten wir am Pinnenpilot dreimal 10 Grad Kursänderung eingeben. So kam nicht nur die Dünung etwas angenehmer, viel besser war: Der Flutstrom zog uns jetzt mit und wir machten wieder deutlich 6 Knoten und mehr Fahrt!

Was jetzt kam, wurde aber wirklich nicht vorhergesagt: Der Regen wurde zum Starkregen und brachte ordentlich Wind mit. Die Böen gingen bis über 17 Knoten, das ist dann schon Windstärke 5. Wir mussten reffen. Und in aller Bescheidenheit: Das haben Angela und ich mittlerweile schon gut raus. Wir müssen dazu nicht voll in den Wind, wir müssen eh nicht an den Mast, weils Ein-Leinen-Reffs sind und wir beide sind gut abgestimmt.
Selbst mit dem Reff (die Fock stand noch) machten wir über 6kn. Den Motor liessen wir trotzdem mitlaufen, weil… Erfahrung macht klug. Natürlich kam von hinten noch ein Windparkversorgerkatamaran angedüst und als wir in die Fischerbalje abbogen, kam noch flott eine Fähre die Ems hoch, die auch da rein wollte, aber das nehmen wir mittlerweile als normal hin, auch wenn vorher stundenlang nix los war.
Hier, auf der relativ schmalen Zufahrt zu den beiden Häfen (eins, zwei) briste der Wind noch mal auf: Unsere Fahrt wurde weniger, der Wind ging teilweise auf 26kn hoch. Nun auch egal, noch wenige Minuten, das schaffen wir auch noch. Die Hafeneinfahrt lag so „günstig“, dass wir dort gleich das Groß fallen liessen und uns beim Ponton umsehen konnten: Natürlich alles voll. Auf der Leeseite war noch eine recht grosse Lücke, aber ich wollte lieber auf die andere Seite und guckte, wo wir längs gehen konnten. Viele Holländer hier, und die bildeten Päckchenrudel. Da sah ich einen schmucken Zweimaster, den ich aus Hooksiel kannte. Er lag direkt am Ponton. Dort wollte ich längsseits gehen!  Natürlich machten Wind und Regen unbeirrt weiter, aber ich stoppte einfach einen guten Meter neben der Ketch und liess mich vom Wind langsam randrücken. Drüben nahm jemand die Leinen an – „Moin, woher?“ „Moin, Norderney“ „Oha“ – und wir machten fest. Jetzt brauchten wir keine Eile mehr. Wir legten eine Spring und räumten im Cockpit auf. Gleich danach bauten wir die Kuchenbude auf, und das war genau die richtige Entscheidung. So konnten wir viele Sachen gleich dort zum trocknen aufhängen. Über unsere Dieselheizung erzählte ich später mal. Puh, nun erstmal durchschnaufen. Es war 16:30 Uhr, ich machte den Logbucheintrag.
Meine und ich glaube auch Angelas insgeheime Idee, vielleicht doch noch bis nach Delfzijl weiterlaufen zu können, war längst verworfen. Beim verdienten Anlegeschluck kam die Frage auf: Springt der Motor den nun an?
Tat er nicht. Damit beginnt dann wohl ein weiteres Technikkapitel für diesen Urlaub. Und wenn man jetzt nicht abergläubisch ist: Welche Kraft sorgt denn dafür, das unser Weg nach Holland so beschwerlich ist? Andere machen das in drei Tagen. Aber immerhin können wir Eemshaven bei guter Sicht schon sehen. Ist ja auch Holland.

(Erst zweimal Bolognese gegessen. Ist dann wohl morgen fällig.)

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