Winterzeit ist die Zeit, wo man von Dingen erzählen kann, die irgendwie zeitlos sind und die sonst hintenan stehen müssen, weil man viel lieber und wichtiger einen Bericht über den aktuellen Segeltörn etc. schreibt. Deswegen nun:

Der rote Topflappen
Als wir die Slocum damals übernahmen und anfingen, an Bord alles zu erkunden, da waren wir über zwei Dinge besonders erstaunt:

  1. Wenn man den Niedergang herab steigt und in der Kajüte steht, dann hat man volle Stehhöhe. Auch ich mit 1,88m Größe!
  2. Wenn man dann durch die Tür zum Vorschiff geht, wo sich Toilette/ Waschbecken, Schrank und die V-Koje befinden, dann stösst man sich den Kopf ganz fies. Auch Angela mit 1,72m Größe!

Der Durchgang, die Tür zum Vorschiff befindet sich genau auf Höhe des Mastes und statt einer Maststütze mitten im Boot haben wir einen soliden Decksbalken/ Türrahmen, der die Kräfte in den Rumpf ableitet. Oberhalb ist ein massiver Messingwinkel, ohne angefaste Kanten. Und nicht nur ein-, zweimal, sondern jedesjedes mal, wenn wir durch diese Tür gingen, dann ratzten wir uns den Kopf und vermutlich ein paar Haare oder Kopfhautflocken ab. Das tut weh, da wird man aggressiv, das will man nicht.
Wir überlegten, wie wir das verhindern konnten. Bauliche Maßnahmen waren ausgeschlossen, denn nach 50 Jahren baut man so ein Schott ja nicht mal eben um. Ständig gebückt durch die Kajüte schied auch aus, wozu hat man Stehhöhe! Zumal gleich nach der Tür ja wieder das nächste Decks-Luk kam und man dort auch wunderbar gerade stehen konnte. In meiner schmerzhaften Verzweifelung sagte ich: „Da muss was Auffälliges hin, was wir sehen und dann reagieren können“. Angela fiel dann ein, dass ihre Mama noch gaaanz alte, damals hübsche, rote gehäkelte(?) Topflappen hatte, mit einem sehr auffälligen Rot.

Daheim konnte sich Schwiegermama sogar sofort daran erinnern und flugs wurden die Topflappen hervorgekramt und Spontanvererbt. An Bord habe ich dann einfach ein Streichholz mit einem Taschenmesser etwas angespitzt und das Warnsignal platziert:

Unübersehbar!

Nach ein paar Tagen merkten wir: Es funktioniert! Ganz unbewusst nimmt man dieses Signal wahr und zieht den Kopf beim Durchgehen ein. Einen ungeplanten Blindtest bestand diese Konstruktion auch: Irgendwann hielt das Streichholz nicht mehr und der rote Lappen fiel zu Boden. Das habe ich nicht gemerkt, weil ich den Topflappen unten liegen sah, sondern weil ich mir oben *rums* den Kopf angestossen hatte.

Wollen wir hoffen, dass das Topflappenhaltestreichholz die Biskaya übersteht, sonst kommen wir vermutlich mit Glatze im Mittelmeer an…

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