Für Landratten und Menschen, die nicht erahnen können, was Seereisen bedeuten, klingt es vermutlich erstaunlich langweilig: Wir haben Cuxhaven erreicht! Und aber alle, die solch eine Fahrt schon mal gemacht haben- oder überhaupt bei uns im Revier auf dem Wasser unterwegs waren – können sich mit uns freuen. Ich beschreibe mal wieder etwas „technisch“ diese Reise.
Wenn man von Hooksiel nach Cuxhaven will, dann fährt man aus der Jade über die Weser in die Elbe. Die Kunst ist auch hier (wie schon z.B. von Bhv nach Hooksiel), die richtige Tide abzupassen.
Wir wollen die Jade und das Stück Weser raus natürlich noch das ablaufende Wasser mitnehmen. Aber wenn es auf die Elbe zugeht, sollte es schon wieder auflaufen. Wenn ich das plane, dann richte ich mich nach dem „Niedrigwasser Leuchtturm Alte Weser“. Nun muss man schauen, wie weit es bis dahin ist bzw. wie lange man bis dahin braucht. Dann kann man rückwärts rechnen und hat seinen Startzeitpunkt. In unserem Fall war das so: NW „bei den Türmen“ war gegen 9:00 Uhr morgens. Bis dahin sind es ca. 12sm durch die Mittelrinne und dann noch ein Stück weiter. Da wir mit dem Strom fahren, werden wir bestimmt 6kn Fahrt machen, das bedeutet: 2 Stunden. Also müssen wir spätestens 7:00 los. Besser ist, noch etwas Reserve einzuplanen: Lieber oben etwas warten, bis die Tide kippt als zu spät kommen und noch ne Stunde verschenken, weil man da mit 1,7 Knoten rumhopst, um Höhe zu gewinnen. Da sind natürlich viele Erfahrungswerte drin. Wer solche nicht hat und selbst plant, muss so wie so eher los fahren 🙂
Weiter: Die erste Schleusung in Hooksiel ist nach 7:00 Uhr. Das bedeutet: Wir müssen einen Abend vorher die (vor)letzte Schleusung nehmen und im Vorhafen übernachten. Wir nahmen die Schleuse um 19:00 Uhr. Mir behagt das ja nicht, denn es gibt keinen nutzbaren Schwimmsteg und im Tidengewässer an einer Spundwand für längere Zeit(!) habe ich bisher noch nicht festgemacht. Das will auch keiner: Man geht einfach an einen vorhandenen Fischkutter und hofft, dass der nicht gerade mitten in der Nacht raus will.
Der erste Fischkutter war schon belegt: Und die Segler wollten noch früher los. Also gingen wir an den zweiten Kutter (das war nicht die Aggi, die kam morgens rein). Abends hörten wir noch DFB Pokal-Finale im Radio (BVB hats geschafft), dann ging es in die Koje. Den Umständen entsprechend haben wir gut geschlafen.
Um 5:30 ging der Wecker. Frisch machen, warm anziehen* und Wasser für Tee etc. kochen. Bald startete ich die Maschine, machte den Logbuch-Eintrag. Die üblichen Vorbereitungen: Handfunke, Fernglas, iPad als Plotter ins Cockpit, ne Flasche Wasser griffbereit etc. Dann ging es los: 6:20 Uhr war offizielles Ablegen. Und um es vorweg zu nehmen: Wir hätten ruhig noch etwas eher losfahren können! (Der nördliche Wind hat uns gebremst, weil wir nicht segeln konnten. Das kostet schon mal ne halbe Stunde).
Wir fuhren die H3 sauber aus und querten dann zügig das Jade-Fahrwasser. Denn drüben, vor der Mittelrinne, kann man schon etwas schnibbeln. Dort ist ein Reede-Platz markiert und das Wasser ist überaus tief. Westliche Winde waren vorhergesagt, die waren aber eher nordwestlich und drehten bald noch nördlicher: Schade. Auf der Jade war es zu spitz für unsere Slocum, aber auf der Mittelrinne rollten wir das Vorsegel dazu** aus. Am Ende der Mittelrinne (bzw. am Anfang, zur M1 hin) ist man ganz nah und parallel zur Weser, und: Dort kam der Wind und damit die Windsee (die Wellen, die durch den Wind erzeugt werden) noch nördlicher, so dass wir gut durchgerollt wurden. Geschätzte Wellenhöhe: 1m. Kein Problem für die Slocum, kaum ein Problem für uns.
Wir mussten uns entscheiden: Eigentlich noch etwas Nord machen, um ins Elbfahrwasser zu kommen und dort den auflaufenden Strom mit uns. Oder etwas schnibbeln, näher an Roter Sand vorbei. Letzteres bedeutet immerhin: Die Dünung rollt uns nicht so nervig, wir können ein, zwei Meilen sparen und kommen mal näher an dem schönen Turm Roter Sand ran.
Letzteres bedeutet aber auch: Wenn das Wasser „zu früh“ aufläuft, dann müssen wir sehen, dass wir von dem Neuwerker Wattgebiet bzw. den Sänden davor frei bleiben. Da wurde schon so mancher draufgeschoben!***
Wir wählten einen Mittelweg: Zwischen neuer und alter Weser so weit es geht noch ein Stück Nord machen, dabei aber schon die Elbe-Ansteuerung anvisieren. Was wir erst später feststellten: Die wichtigen Untiefentonnen Westertill-N etc. liegen nun viel weiter östlich als in den Karten (Navionics!) eingetragen. Gut für uns, denn so hoch an den Wind kamen wir nicht mehr, um die erste Tonne laut Karte nördlich zu nehmen.
Im Gebiet der Türme waren wir bei einer Geschwindigkeit von manchmal unter 4 Knoten, sonst aber immer mehr. Das bedeutet: Ganz falsch war das nicht, was wir machten. Gegen den Strom würden wir solch ein Speed nie erreichen 😉
Wobei ich immer wusste: Wenn wir erstmal „richtig“ in der Elbe sind, dann werden wir auch 8kn machen (hatten wir dann auch, locker). Aber erstmal mussten wir um die Untiefentonnen kommen, schafften das und konnten den Kurs noch weiter auf Ost kriegen. Das war dann endlich gegen 11:30 Uhr der Fall. Hinweis: Fahrt hier schon ausserhalb vom Tonnenstrich! In der Elbe ist mehr Traffic als in der Weser (und da ist schon viel los).
Spätestens ab dort profitiert jeder vom auflaufendem Strom und wir auch vom nun günstigeren Windwinkel. Am Rollen waren wir aber immer noch, so dass wir „vor dem Wind kreuzten“, damit es an Bord bequemer wird. Zeit haben wir dadurch nicht verschenkt…
Aber was war das? Wir hatten Neuwerk so ziemlich quer ab, da sahen wir ein auf unserer Seite (richtig an dieser Stelle) entgegenkommendes „kleineres“ Segelboot (falsch bei dieser Tide) auf und ab hoppelnd, ohne gesetzte Segel!
Fernglas raus, geguckt, erkannt, gewunken: Heinrich! Ein Vereinskamerad, der schon Legenden schrieb, die er nicht wollte. Und er hat zurück gewunken! 🙂
Wir fuhren weiter die Elbe hoch und ab hier war es nur noch Routine: Man sah die Kugelbake schon durchs Glas.
Spannend wird es noch bei der Einfahrt zum SV Cuxhaven: Die Einfahrt ist Dank des Radarturmes einfach zu sichten, aber: Die ist ziemlich schmal und die Elbe rauscht schnell vorbei. Das bedeutet: Vorbeifahren, drehen und gegen den Strom in den Hafen einfahren. Maschine auf volle Fahrt, damit machen wir immerhin noch 2,5 kn. Und immer auf die grüne Seite zuhalten! Links lauern schon dicke Rohre mit gespannten Seilen, welche Boote auffangen, die die Einfahrt nicht schaffen. Aber wir doch, klar! Es ist kein Problem, man muss das nur mit allem Ernst machen. 14:25 Uhr waren wir drin. Nach 8h 5m.
Damit haben wir unser nächstes Etappenziel erreicht: Cuxhaven. Das nächste ist dann der NOK bzw. Brunsbüttel als Eingangshafen/Schleuse.
Ich will nicht sagen „Was für ein schöner Segeltag!“, aber das ging doch gut!
*fünf Hosen hatte ich an! Lange Unterhose, Jeans, Arbeitshose (mit gepolsterten Knien) und darüber die Ölhose. Ganz unten war noch der Schlübbi als Eierbecher… und es war zwar nicht kalt, aber auch nie mollig warm (auch etwas, dass man sich nicht vorstellen kann).
** Wir liessen die Maschine immer mitlaufen. Es war halt kein ruhiger Segeltag wie z.B. auf der Herfahrt.
*** Da möchte ich auch noch in einem Beitrag detaillierter drauf eingehen, erinnert mich ggf. daran 🙂
Ich hoffe euch geht es gut, Holger ich lese gerne deinen Blog …. Kannst ja auch echt gut schreiben 😉
Viel Spaß euch beiden…
Lg Stephan
PS: hast uns echt gefehlt am Donnerstag, war schon komisch ohne Dich .
Ich war kurz davor, ne Busfahrkarte zu kaufen und bei euch dazu zu stossen… zumal ich hier fast die ganze Zeit ne lange Unterhose anhabe! Ich hoffe, du hast Hotte gezeigt, wo der Dartpfeil hingehört 😉