Angela erzählte ja schon davon: Wir sind in der Tiden-Eider angekommen. Wir wissen, wie Tiden-Planung geht, ich habe das bei aller Bescheidenheit ziemlich gut raus. Die Kunst ist, zu wissen, wann man wo sein wird, um dann herauszufinden, wie der Wasserstand dort ist oder anders rum. Aber was ist, wenn man die korrekten(!) Gezeiten für einen Ort einfach nicht rausfinden kann?
Ich nehme gerne den gedruckten Gezeiten-Kalender des BSH für sowas. Aber, seltsam: Der hat nur die (Differenzzeiten zu Büsum) vom Eider-Sperrwerk. Nicht für Nordfeld, Friedrichstadt oder Tönning. In den „Jan Werner“-Revierführern stehen auch für die diversen Orte die Tiden drin, aber genau diese Ausgabe hatten wir nicht an Bord. Dann gibt es noch die Webseite und App „Windfinder“. Die zeigt ganz viele Informationen an, u.a. auch die Hoch- und Niedrigwasserzeiten. Aber zum einen haben wir die Erfahrung gemacht, dass Windfinder hier oft von anderen Angaben abweicht und zum anderen wurden für Tönning dort einfach die Zeiten vom Sperrwerk angegeben. Das ist aber sechs Meilen weg und das hat wesentlich Einfluss auf die Tide!
Nächster Versuch: Bei Skipperguide stehen zumindest die Zeiten fürs Sperrwerk und die Zeiten für Nordfeld. Kann ich also einen Mittelwert bilden?
HW +1h15m
NW +2h28m
Und dann erfahre ich, dass Tönning, Friedrichstadt und Nordfeld früher (z.B. noch 2018) im BSH-Gezeitenkalender erwähnt wurden. Die Punkte fehlen aber nun dort, warum auch immer… ob ich die mal anschreibe deswegen?
Diese Daten waren für die kurze Fahrt von Friedrichstadt nach Tönning echt wichtig! Erstere hat zwar eine Schleuse, aber dahinter gehts ja weiter. Und der Hafen in Tönning fällt auch trocken. Man kann also nicht einfach so hin und her fahren. Meine Idee war: Zwei Stunden nach dem Nachmittags-Niedrigwasser in F. los. Da sollte doch schon genug Wasser sein? Und dann gegen das auflaufende Wasser die 8,7sm bis nach Tönning. Dort wäre dann schon genug Wasser aufgelaufen und wir könnten in den Hafen fahren. Die Herausforderung daran: Vor Tönning geht noch eine Straßenbrücke über die Eider, die aufklappt. Aber nur bis 19:00 Uhr. Nun brauche ich die Tidenzeiten!
Zwei Std. nach NW in F. wäre so gegen 16:00 (dachte ich). Wenn wir gegen das auflaufende Wasser fahren, kann es durchaus sein, dass wir nur mit 3Kn voran kommen. Für die Strecke könnten das also drei Stunden werden. UND dann ist da noch die Eisenbahnbrücke gleich hinter F. Die muss auch flott öffnen. Wenn bei diesem Plan irgendwas nicht klappt, dann schaffen wir die Autobrücke nicht bis 19:00 Uhr und müssten dort eine Nacht vor der Brücke ankern. Nee! Wir verwarfen das, blieben noch eine Nacht in F. und fuhren am nächsten Morgen mit dem Hochwasser raus. Ein Glück! Denn ich hatte falsche Daten für das Niedrigwasser am Tag vorher und außerdem ist vor der Schleusenausfahrt noch eine Stelle, die bei Hochwasser 2,8m hat (wir haben es an unserem Echolot gesehen und fast wieder vergessen). Da wären wir um NW nie rübergekommen!
Mit dem Hochwasser hat dann alles geklappt und die Brückenwärter auf der Eider sind alle wirklich freundlich. In Tönning fanden wir dann sogar noch eine freie grüne Box am Steg vor dem Packhaus. Wichtig war, dass wir bei auflaufendem Wasser früh genug wieder aufschwimmen, damit wir den nächsten Tag auch losfahren können! Und wir schauten uns die Hafeneinfahrt bei Niedrigwasser an, das ist nämlich etwas tückisch dort:
Ein paar Kielfurchen sieht man auch in den Schlickbergen 🙂
Am Nachmittag kamen noch zwei ältere Herren vom Segler „Dr. Lisa Panzer“ und wollten ihre zwei Jahre alten Seekarten mit unseren abgleichen. Wir hatten zwar nur Karten von 2005 (mann, liegen die heute falsch), aber auf dem iPad haben wir neueste Karten von Navionics. So verglichen wir im Cockpit sitzend Tonne für Tonne. Passte alles noch.
Und aber jetzt kommt nämlich Teil zwei unserer Tidenplanung: Auf der Außeneider, für Laien schon fast Nordsee, ist draußen eine Barre, wo es noch mal richtig flach werden soll. Kartentiefe dort 1,2m, aber schnell veränderlich. Und natürlich nutzt man den Strom auf der Eider, also mit ablaufend Wasser raus. Wir mussten also so in Tönning starten, dass wir die gut 6sm zum Sperrwerk fahren, dort durchschleusen und dann unseren Weg draußen durch die Tonnen an St.Peter Ording vorbei finden, bis wir bei der Barre sind. Als Richtwert nimmt man so ca. „halbe Tide“. Man kann es auch knapper planen, aber wenn an der Barre mal eine Welle steht, weil W-Wind ist (nee, hatten wir nicht), dann fehlt da schnell mal Wasser.
Wir sind also um sechs Uhr heute morgen aufgestanden, haben gefrühstückt (es war noch dunkel draußen). Wir schwammen dann auch schon. Dann mussten wir noch dies und das für die Fahrt vorbereiten und um 7:06 Uhr hiess es dann Leinen los. Es war schön warm, aber es sollte Regen geben. Also hatten wir unser Ölzeug an. Im Hafen war kein Wind. Gut, so konnte ich sauber drehen und rausfahren. Natürlich, siehe Bild, schön in Schlangenlinien bei der Ausfahrt…
Nun, auf der Eider, musste man einfach nur dem Tonnenstrich folgen. Wir kamen auch gut voran, obwohl noch auflaufendes Wasser war. Angela rief beim Sperrwerk an und liess sich beraten: Alles kein Problem. Um 8:43 Uhr fuhren wir in die Schleuse, um 8:52 Uhr wieder raus. Nun hatte uns die Nordsee endgültig wieder! Und gute Fahrt machten wir auch: Vorsegel ausgerollt, Maschine lief mit (wegen dem Wattgebiet und der vielen Kurven), aber ich nahm Gas weg und dennoch machten wir über 6 Knoten Fahrt. Um 10:30 Uhr waren wir dann an der Barre, ich guckte extra aufs Lot: 1,7m unterm Kiel, also 3m Wassertiefe dort.
Ab dort wurde es aber auch etwas ungemütlicher, weil das Wasser relativ flach blieb (unter 6m), und sich die Wellen verkürzten. Natürlich wurde es irgendwann tiefer, aber leider drehte der Wind auch zu unseren Ungunsten… wir konnten die Maschine leider nicht ausstellen. Als unser Plotter anzeigte, dass wir nur noch etwas mehr als eine Stunde bräuchten, da blieb diese Anzeige fast eine halbe Stunde so, weil wir immer langsamer wurden. Dafür wurde es immer nebliger. Mit nur noch 3,5kn hoppelten wir zum Helgoländer Fahrwasser und schnibbelten noch die „Düne S“. Um 15:00 Uhr waren wir eigentlich da (eine gute Zeit), aber ich wollte nicht in den Süd- sondern in den Nordosthafen, weil ich kein Bock auf Päckchenliegen hatte. Und zwischen den Inseln kam uns Strom entgegen, während die Windsee eher achterlich kam. Was solls, da will ich durch!
Um 15:35 Uhr haben wir dann an einem der freien Plätze am Fingersteg im NO-Hafen festgemacht. Leider läuft hier immer etwas Schwell rein und das Boot liegt nicht still. Und noch mal leider: Der WSC Helgoland hat noch immer „wegen Corona“ die Sanitärräume geschlossen. Kein Klo, keine Dusche. Das müsste nicht mehr so sein, wenn sie nur wollten. In allen anderen Teilen von Schleswig-Holstein war das die letzten Monate kein Thema…