Viele, vermutlich sogar die meisten Sportbootfahrer machen sich überaus viel Gedanken um das An- und um das Ablegen. Vermutlich deswegen sind die angebotenen Skippertrainings so begehrt. Ich selbst, in aller Bescheidenheit, gab ja schon einigen Leuten praktischen Unterricht. Nun will ich mal zwei reale Beispiele zeigen, wie wir das in unserem Urlaub gerade erledigten.
Wir fuhren am Freitag, den 04.08. nach Wangerooge, es herrschte ein strenger Nordwest-Wind. Wir kamen im Hafen an und schauten am Steg nach freiem Platz. Vorher dachten wir uns schon, dass wir wohl nicht irgendwo längsseits gehen müssen sondern direkt an den Steg können. So voll wird es schon nicht werden.
Und so war es auch. Vor uns hat sich zwar ein größeres Motorboot in den Hafen gedrängelt, aber die brauchten mehr Platz oder eine größere Lücke. Ich wollte „innen“ am Gästesteg liegen, bzw. anlegen. Warum, das erfahrt ihr gleich. Wir sahen auch eine passende Lücke von ca. 12 Metern Länge. Voraus lag ein größeres MoBo, hinten ein kleines. Fender und Festmacher hatten wir schon im Vorhafen klar gemacht, das Anlegemanöver konnte beginnen. Ich rief Angela, die auf dem Vorschiff stand, zu: „Ich werde ranfahren, aufstoppen, Rest macht der Wind!“. Sie drehte sich zu mir nach hinten um und zeigte: Daumen hoch.
Und genauso passierte es auch:
Da ich weiß, dass die Swantje einen recht kurzen Weg zum Aufstoppen hat, wirkt das für die Kapitäne an Land vermutlich immer ganz eindrucksvoll: Erst so zwei Meter bevor es eng wird, stoppe ich (energisch!) auf, bis das Boot steht. So auch in diesem Fall. Es standen schon helfende Leute am Steg (sehr nett!), aber wir warteten einfach: Ungefähr nen knappen Meter waren wir beim Aufstoppen vom Steg entfernt, nun drückte uns der Wind langsam an den Steg, gelbe Markierungen im Bild. Leinen über die Poller, Spring ausbringen, fertig. Muss vom Steg aus echt cool ausgesehen haben 😉
Das oben erwähnte MoBo ging übrigens auf der anderen Stegseite ran und hatte trotz Bugstrahlruder erhebliche Probleme, an den Steg zu kommen: Immer wieder wurde das Boot vom Wind weggedrückt, als sie gerade die Leinen überwerfen wollten.
Nächster Tag:
Samstag, den 05.08. wehte im wahrsten Sinn ein anderer Wind: Aus einer völlig anderen Richtung.
Angela stand wieder auf dem Vorschiff, Maschine lief, ich hatte die Heckleine in der Hand. Auf mein Kommando warfen wir die Leinen los und wir begannen, alles zu klarieren, ohne irgendwie die Maschine zu verwenden: Der Wind drückte uns weg vom Steg, raus aus der Lücke. Und weil das Boot locker drei einhalb Tonnen wiegt, passiert auch erstmal nix schnell oder einfach so. Erst als alle Fender und Leinen verstaut waren, da gab ich Gas und drehte die Pinne so, dass wir aus dem Hafenbecken fahren konnten (noch vor der Fähre setzten wir das Groß, evtl. einen anderen Beitrag wert).
Und für uns war das total entspannt und stressfrei. Was ich damit sagen möchte: Nutzt die Gegebenheiten für euch! Wind und Strom sind dein Freund, wenn du sie richtig nutzt. Gaanz wichtig: Gerne darüber nachdenken, aber auch: Machen! Nur durch Übung bekommt man Erfahrung. Und wenn man ein paar grundlegende Dinge beachtet, dann ist das alles auch kein Problem: Immer gegen den Wind anlegen, oder: Gegen den Strom! Der ist meist stärker als der Wind. Sollte es stärker wehen oder man traut sich in einer Situation nicht viel zu, dann: Ruft die Leute auf den anderen Booten an, sie sollen euch helfen, Leinen annehmen! Wenn man das energisch (nicht panisch) genug ruft, dann kommt selbst der größte Mobo-Muffel.*
Hat man das erstmal einige Male gemacht, dann macht man das noch viele weitere Male, aber vielleicht etwas entspannter 😉
Und wenn der Wind mal genau anders rum weht, dann kann man immer noch gut ablegen, indem man das bewährte „Eindampfen in die Vorspring“ praktiziert. Einfach und wirksam.
* Wegen des Kommentars von Stefan möchte ich dazu noch was schreiben:
Mit der Muffel-Erwähnung wollte ich nur darauf hinweisen, dass es eben auch Leute am Steg, auf ihren (Motor- und Segel-)Booten gibt, die nicht sofort aufstehen und ihre Hilfe anbieten, wenn sie sehen, dass ein Boot anlegen möchte. Laut meiner Erfahrung sind das öfter Mobo-Fahrer als Segler. Und aber auch die kommen, wenn man sie direkt anspricht. (Einmal habe ich leider das Gegenteil erlebt)
Moin Ihr Beiden!
Mit großem Interesse verfolge ich seit Jahren Euren immer sehr interessanten Blog.
Der „MoBo-Muffel“ kam aber eben nicht gut an.
Ich bin seit über 50 Jahren mit „Motorquatzen“ unterwegs, inzwischen in Summe meiner Logbüchern mehr als einmal um den Äquator. Mit 16 habe ich beim Frankfurter Motorboot Club meinen Binnenschein gemacht. Höflichkeit und Hilfsbereitschaft waren Bestandteil der Ausbildung und dazu gehört bis heute eine helfende Hand beim An/Ablegen anderer Yachten, egal welchen Antrieb sie haben.
Wir kommen gerade von einer längeren Reise entlang der Biscaya von Nordspanien in die Bretagne/Normandie zurück und ich könnte manche abenteuerliche Geschichte über feindliche Hafenmanöver berichten, besonders Franzosen, Charterer und Regattasegler kämen da nicht gut bei weg. Auch wir fahren machmal ein „Sch…manöver“, trotz der langen Praxis.
Aber Wassersportkameraden generell als Muffel zu bezeichnen nur weil sie aus Eurer Sicht das falsche Boot haben…..hat mich nachdenklich gemacht.
Wünsche weiterhin gute Reise und eine schöne Zeit an Bord!
Und ich werde Euren Blog gerne weiterlesen, wenn ich darf..
LG! Stefan Gilles
MY Nautic, WYC Wiesbaden, z.Zt. St. Cast le Guildo/Bretagne
Ah, okay, sorry. Der Muffel sollte keine Verallgemeinerung darstellen sondern eben nur erwähnen, dass… habe ich wohl schlecht formuliert.
Und ganz manchmal muss ich auch einfach nur Dampf ablassen (was ich hier aber gar nicht bezwecken wollte).
Aber auf jeden Fall vielen Dank für dein anhaltendes Interesse! Ich hoffe, das bleibt trotz manch ungebügelter Formulierung meinerseits so und wir freuen uns, wenn du weiter liest 😉
Gruss aus Oldenburg