Neulich machte ich einen navigatorischen Fehler. Angela und ich deuteten das in unseren letzten Artikeln auch schon an. Dieser Planungsfehler war zwar relativ gravierend, aber Gottlob ohne irgendwelche Folgen etc. Nun beschreibe ich Details dazu. Nicht nur für andere, um daraus zu lernen sondern auch für mich als Erinnerung, weil: Eigentlich sollte ich es besser wissen 🙂
Ich schrieb:
„Dann wollten wir aber außen rum …. Sobald wir aus dem Spiekerooger Schlick frei sind und aufschwimmen, wollten wir los“.
So hatte ich geplant: Das Wasser läuft auf, wir können starten. Vom Hafen bis nach draußen, hinterm Gatt, sind es knapp 5 Seemeilen. Der Wind kam aus Nordwest, war also mit dem Strom. Das sollte doch eine recht ruhige See ergeben? Mir war bewusst, dass der gegenlaufende Strom uns im Gatt ordentlich bremsen würde. Bestimmt würden wir irgendwann nur noch 2,5 Kn über Grund machen. Dann dauert die gesamte Passage bis hinters Gatt insgesamt mal eben knapp zwei Stunden. Aber danach würden wir rechts abbiegen und hätten den Strom bis zum Ziel – durch die Jade nach Hooksiel – mit uns. So der Plan.
Realität war:
Zum einen sah die Brandung in der Ferne rechts und links wirklich beeindruckend aus, des Weiteren rollte eine ordentliche Dünung durchs Gatt (vom Wind gestern?), die bestimmt nen Meter hoch ging und zum anderen wurden wir immer langsamer, je mehr wir uns dem Gatt näherten. Unter 2,5 Kn, dann unter zwei und bald nur noch 1,6 Knoten. Damit würde sich die Dauer der Passage auf deutlich mehr als zwei Stunden verlängern! Von der währenddessen andauernden Schaukelei abgesehen würde die ganze Tidenplanung nicht mehr passen und wir am Ende wieder gegen an laufen müssen.
Am ärgsten wog, dass die Zeitplanung überhaupt nicht mehr stimmte. Die Schaukelei würde man noch eine Weile aushalten, wir haben ja ein sicheres Boot. Aber konnten wir jetzt noch innen durch? Wir hatten bereits eine Stunde verplempert… Angela und ich guckten uns in die Augen: Umkehren? Ja! So nicht! Da das Groß schon oben war, fuhren wir im nächsten Dünungs-Tal eine Wende und gingen auf Kurs Richtung Pricken. Ein Blick aufs GPS: Plötzlich satte 6,8 Knoten! Unglaublich, mehr als viermal so flott wie auf Gegenkurs… und man merkte es nicht mal, weil das Wasser so ruhig neben uns floss. Dass wir es anschliessend doch noch über den Prickenweg schafften, habt ihr ja schon gelesen.
Aber was war nun der Fehler?
Man fährt nicht gegen den Strom durchs Gatt! Ich hatte nur noch im Kopf „nicht bei (5Bft) Wind gegen Strom“. Das ist zwar korrekt, aber eben nicht alles. In den Gatten herrscht nicht nur ordentliche Strömung (das ganze Wasser für die Gebiete dahinter muss ja hier durch), es gibt dort auch noch Querströmungen, Strudel etc., die einem das Leben schwer genug machen. Dann dort fast auf der Stelle stehen macht die Sache nicht besser. Wenn dann noch der Wind gegen die Strömung steht, dann bauen sich dort riesige Wellen auf, die sich auch brechen. Das ist nix für Segler und nicht mal Surfer wird man in dem Gebiet finden… da ist die einlaufende Nordseedünung noch das geringste Übel.
So hätte ich planen müssen:
Es sind mehrere Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen, damit man mit ablaufendem Wasser durchs Gatt kann.
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- Nicht „wann schwimme ich im Hafen auf“ sondern „bis wann kann ich noch raus“?
- Wann kippt wo die Tide?
- Wo ist die flachste Stelle?
- Und bis wann komme ich mit meinem Tiefgang dort rüber?
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Wenn man gute zwei Stunden nach Niedrigwasser aufschwimmt, dann kann man auch bis dahin raus. Also gehen wir von halber Tide aus, etwas Puffer braucht man ja. Die flachste Stelle bei den Gatten ist die Barre, die außen davor sitzt. Laut Seekarte und Wattsegler passt auch das bis halbe Tide noch gut in der Otzumer Balje (an der OB4 3,7m bei HW). Wir starten also vielleicht etwas eher als halbe Tide, damit wir rechtzeitig dort sind. Aber wann müssen wir dort sein? Nun, im Gezeiten-Kalender findet man für die Ansteuerungstonnen aller Gatten die entsprechenden Tiden-Zeiten. Die Tonnen sind zwar ein ganzes Stück weiter draußen, aber auf eine Viertelstunde wird das schon passen (das ist hier ca. der Zeitunterschied zu Spiekeroog Hafen).
Am 14.09.22 war bei N’ey gegen 2:46 Hochwasser. Wir hätten also um 5:40 los gekonnt. Diese Fahrt durchs Gatt würde wesentlich schneller gehen, vermutlich ne knappe Stunde. Dann wäre man draußen, hätte das Wasser noch zwei Stunden gegen sich (was vor den Inseln nicht ganz so dramatisch ist) und spätestens in der Jade hätten wir wieder mitlaufendes Wasser. ABER: Dann wäre Wind gegen Strom gewesen. Alternativ fährt man nach dem Nachmittagshochwasser, aber dann in die Nacht hinein (19:47 Uhr Sonnenuntergang)…
Nicht nur das frühe Aufstehen, auch der Wind am 14.09. war übrigens der Haken an der Sache:
Morgens war das eine deutliche fünf, will man da durchs Gatt? Nun, wir wollen unserem Eid treu bleiben: Niemals gegen an (außer es geht nicht anders, wie z.B. von Hooksiel nach Wangerooge) und meide die Gatten bei einer 5, Wind gegen Strom so wie so! Natürlich ist uns bewusst, dass die Gelegenheiten, durchs Gatt zu fahren, damit seltener werden. Dafür ist es anders rum, von außen nach innen, einfacher. Denn dann fährt man mit dem auflaufenden Wasser und wird im Watt genug Wassertiefe haben.
Als wir uns dem Gatt bei Wangerooge näherten, konnten wir übrigens sehen, wie ein Segler vom Hafen aus Richtung Gatt fuhr und dort durch ging… hm.
Gut das ihr umgedreht seid. Das habe ich in meiner Seglerlaufbahn auch gemacht, wenn mir die Situation zu haarig erschien.
Am besten man fährt dicht bei HW durch die Gatten, weil dann die Strömung am geringsten. Aber alle Theorie nützt manchmal nix, die Situation in den Gatten kann überraschend anders sein, als man sich das vorstellte. Schon satte 4 Bft können einem das Schippern arg erschweren.
Ich hatte einmal bei ablaufend Wasser, halber Tide und NW bange Minuten. Hohe Wellen zu bezwingen und rechts und links Grundseen. Nach diesem Erlebnis sagte ich mir: Nie wieder mit ablaufendem Wasser durchs Gatt nach See zu!
Ich denke, die Regel durchs Gatt „nach See zu“ ist: Nahe HW und keinesfalls mehr als 4 Bft bei nördlichem Wind. Und immer Groß ggf. gerefft als Stützsegel, um bei Motorausfall manöverierfähig zu bleiben.
Tja, wie gesagt: Die Gelegenheiten, durchs Gatt zu fahren, werden dadurch nicht mehr. Man muss ja auch immer planen, wie die Tide am Zielort sein wird. Nicht immer ist das Helgoland, wo es nicht so drauf an kommt 😉
Am besten fahren wir nächstes Mal auf dem Hinweg außen rum, denn wenn man Segeln will ist das der beste Weg…
Immer um HW durchs Gatt: Klar, kann man machen. Stauwasser ist ne gute Sache. Ich denke, wir testen das nächstes Jahr mal 🙂
Also ich möchte noch erwähnen, dass ich am Abend vorher (beim Bier im Pub) mein Erstaunen ausdrückte, warum es nach deiner Planung dieses Mal beides passen sollte (außen rum oder durchs Gatt). Denn bei unserem letzten Besuch auf Spiekeroog ging nur eines 😉 (Klugscheißer-Modus aus, habe dich ja weder abends noch mittags beim Start korrigiert) Angela
Kannste gerne einen Beitrag drüber schreiben 😉
Bussi