Von Aberglaube und Autobahnen

Sie [die FAM] bietet Platz für maximal 5 Personen. Trotz des 88 kg schweren Ballastschwertes kann die Fam kentern. Beschläge und Trimmmöglichkeiten sind recht einfach gehalten, das Boot hat keinen Traveller. (lt. Wikipedia)

(das hier ist Teil 3, Teil 1 findet ihr hier: Klick)
Am folgenden Montag Abend habe ich ohne große Erwartung bei Ebay-Kleinanzeigen nachgeschaut: Die Anzeige von Marc ist immer noch da. Na sowas. Da ich abergläubisch bin, deute ich das als „gutes“ Zeichen und schreibe ihn spontan an:

Moin Marc,
ich sehe gerade: Du bietest das Boot noch immer an. Und ich bin grundsätzlich noch nicht ganz abgeneigt.
Aber meine erste Hürde wäre der Transport: Schafft der Trailer noch 100km bis nach Oldenburg? Von der Zulassung reden wir mal nicht… geht denn die Beleuchtung vom Trailer noch, weisst du das zufällig? Das Boot selbst… ich habe es mir ja angesehen.
So, weisst du was? Folgendes biete ich dir an: Wenn du sagst, der Trailer schafft das noch, dann zahle ich dir xxx,-* und hole das alles morgen noch ab!
Die Planen runter, Mast oben drauf und alles schön festgegurtet. Das wird schon 🙂

VG
Holger

Seine Antwort kam prompt und gleich mehrere, ich fasse mal zusammen:

Moin Holger,
Also, von der Stabilität schafft der Trailer das auf jeden Fall. Ich kann Dir leider nicht genau sagen ob die Beleuchtung richtig funktioniert. Das kann ich erst heute Abend nach Feierabend testen. Wenn Du im hellen fahren möchtest, dann sollten wir das ganze am Freitag machen (…)
So, die Seitenbeleuchtung funktioniert, Bremsleuchten auch. Blinker Beifahrerseite geht, der andere leider nicht. Rücklicht geht auf der Fahrerseite, Kennzeichenlicht geht.

Deswegen schrub ich ihm:

Cool, Danke für die Mühe. Dann fahre ich doch lieber im hellen, Bremslicht geht ja 🙂 Es bleibt also bei Freitag!

Weil ich mir nicht sicher war, ob unser kleiner Aveo das alles ziehen kann, lieh ich mir den 5er von Opa. Der ist auch froh, wenn das Auto mal bewegt wird. Ich suchte noch einige Spanngurte zusammen und bastelte eine rote Fahne „für hinten“. Bei Marc angekommen zogen wir die Plane von dem Boot, ich inspizierte noch mal alles auf Vollständigkeit: Innen liegen die noch originalen Polster. Sogar der Yamaha-Motor lag im Cockpit, inkl. rotem Extra-Tank. Das Ruder samt Pinne lag bereit, das packte ich auf die Rückbank vom BMW. Hatte ich schon erwähnt? Quer durchs Cockpit der Fam läuft ein Traveller.
Wir legten den Mast oben drauf und fixierten ihn mit Bändseln. Ich tüdelte noch die rote Fahne an, obwohl er kaum raus ragte. Das sah einfach wichtig und richtig aus 😉 Mit drei Spanngurten befestigte ich das Boot auf dem Trailer und sah ihn mir noch mal genau an: Klar, der hält! Die Reifen sind auch top okay und schneller als 80 werde ich eh nicht fahren. Jetzt tauschten wir noch Geld gegen Papiere und nen Handschlag aus, ein mündlicher Vertrag reichte uns beiden.

Dann fuhr ich los. Bald schon stellte ich zufrieden fest: Der Trailer läuft wunderbar hinter dem Auto her, Ruckel-, Schlinger- und Klapperfrei! Im Kopf setzte ich mir Meilensteine, über deren Erreichen ich mich jeweils freuen würde: Wenn wir erstmal auf der Autobahn sind, wenn es keine Stunde mehr dauert, wenn die halbe Strecke geschafft ist.
Irgendwann ging die Reserverleuchte vom Tank an: Hey, da geht aber Sprit durch! So ein Gespann braucht eben etwas mehr Energie. Der BMW hat eine Restkilometer-Anzeige, die glich ich kurz ab: Reicht noch locker. Während der Fahrt überlegte ich, ob ich erst nach Hause fahre und das Boot dort abstelle, bevor ich tanken fahre oder gleich… nö. Ich wollte nicht mit dem Anhänger bei der Tanke rumeiern. Irgendwann auf der A28 schaute ich nochmal nach. Die Anzeige im Auto zeigte: Noch 21km Reichweite. Die Anzeige im Routenplaner vom Handy zeigte: Noch 21km Fahrtstrecke. Oh-ha: Das wird knapp!
Ich hatte mit allem gerechnet – Ein Spanngurt rutscht weg oder reisst, der Mast oder irgend ein anderes Teil kommt in Bewegung, ein Reifen platzt, die Polizei hält mich an… all sowas. Aber das ich wegen Benzinmangel Probleme kriegen sollte, das hatte ich nicht aufm Zettel. Im Geiste ging ich die Optionen durch. Die Abfahrt Hatten kam in Reichweite. Runter fahren? Und dann? Doch wozu hat man zeitgemäße Technik dabei! In der Karten-App war die Option, einen weiteren Stopp in die Route zu setzen und mir wurden auch gleich sinnvolle Ziele angeboten: Restaurants, Tankstellen… prima! Aber die offensichtlich Werbefinanzierte Auswahl danach war ja mal richtig bescheuert. „Fahrtdauer +6 Minuten“? Jede der angebotenen Tankstellen lag weiter weg als mein eigentliches Ziel. So ein Unfug. Mittlerweile war ich an der Abfahrt Hatten vorbei. Ah, da kommt ein Parkplatz, ich halte erstmal. Das Handy hilft hier also nix, aber ich wusste ja: Am Kreuz Oldenburg Ost ist gleich eine Tankstelle, das war auf jeden Fall vorher und ziemlich auf meinem Weg. Ich checkte die Entfernung: 7,2km von meinem Standort. Nun am Auto: drei Striche, keine Anzeige mehr. Was denn nun? Angela anrufen, sie soll mir nen Kanister bringen?
Moment! Ich hatte doch einen Aussenborder dabei! Und einen Extra-Tank! Den kramte ich hervor, schüttelte: Da war noch was drin. Dran gerochen: Puh, ja, Benzin.
Wieder rechnete ich: Wenn das Auto 9,4l / 100km braucht, dann sind es für 10km 0,94 Liter. Also könnte mich ein vielleicht knapper halber Liter retten! Und wie kriege ich den Sprit ins Auto? Einfach umgiessen ging nicht. Kurzerhand nahm ich meine Wasserflasche, trank den Rest aus und schnitt mit meinem Taschenmesser den Boden ab. Nun hatte ich einen Trichter.
Mit ziemlich mulmigen Gefühl fuhr ich weiter. Ich konnte noch nicht mal an der Autobahn-Abfahrt Bergab die Kupplung treten, denn der Wagen hatte Automatik. Unten war die Ampel selbstverständlich rot, die Straßen proppenvoll. An der Straßenecke, hinter der Abbiegung, sah ich schon die Zapfsäulen. Nur nicht jetzt, wenige Meter vor dem Ziel, liegen bleiben! Als ich an die Säule fuhr war das ein Gefühl wie Pinkeln nach drei Stunden strammstehen. Eines war noch Blöd von mir: Als ich nach dem Bezahlen aus dem Tankstellengebäude heraus trat, da sah ich die schöne Fam im besten Sonnenlicht auf dem Trailer liegen und habe es total versäumt, ein Foto zu machen.

Jetzt ist der Rest auch entspannt und schnell erzählt: Nach einer Viertelstunde kam ich zuhause an, fuhr den Trailer samt Fam rückwärts in die vorbestimmte Ecke und gleich kam mein Schwager um die Hecke, der auch Segler und mein Nachbar ist. „Ach, ihr habt euch ne Fam gekauft?“
Jawohl, mal eben schnell 🙂

* über Summen reden wir nicht, aber es war nicht mal ein Fünftel des Preises von Fuffi

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