Der impulsive Herdentrieb der Crew, nachdem wir auf Norderney festgemacht hatten: Der Wunsch, die sanitären Anlagen aufzusuchen. Also war der erste Gang der zum Hafenmeister.

Bibo erschien, als wir gerade zum Eingang trabten. Seine ersten Worte: „Eigentlich haben wir noch gar nicht auf…“. Gleich darauf zeigte er aber sein charmantes Lächeln und hörte sich an, was wir zu sagen hatten. „Wer ist der Skipper?“. „Schläft.“. „Okay.“. Dann ging Angela mit ihm nach oben zum Büro und zwei unserer „Neulinge“ aus Neugier hinterher. Ich schaute mir derweil unten mit Frank das Bücherregal an und fand doch in der Tat eines, was ich gerne mal lesen wollte: Nachtzug nach Lissabon.

Wir bekamen eine Servicekarte. Noch eine banale Segler-Weisheit: Je länger der Schlag desto genussvoller die Dusche danach (Ergänzung: Besonders zur Winterzeit). Da das Wetter aber wirklich mal prima war, wollten wir noch in den Ort. Der eine wollte ein Fischbrötchen, die andere brauchte Zigaretten (übrigens die einzige Raucherin an Bord, moderne Zeiten haben auch ihr gutes). Es ist zwar ein recht langer Weg in den Ort, aber ich gehe ihn gerne: Über den schmalen Deich bis zur Mühle, durch den kleinen Park an der Eisdiele vorbei und schon ist man bei Gosch und König. Weil die meisten unserer Truppe von der Milchbar gehört hatten, aber noch nie da waren, landeten wir schliesslich dort. Drin war es gut gefüllt (welchen Wochentag haben wir eigentlich?), aber es dauerte nur ein Bier, bis uns ein passender Tisch zugewiesen werden konnte. Hier verbrachten wir den Rest des Abends, bis wir wohlig müde zurück an Bord gingen. In der Nacht fing es schon an zu stürmen, wir kamen zum Glück vorher heil zum Boot.

03.04.2022, morgens – Selbst am Steg war es eine schaukelige Nacht. Alle liegen noch in ihren Kabinen bzw. Kojen und keiner will der erste sein, der aufsteht. Aber bald kommt doch hörbar wieder Leben ins ganze Boot. Schon nach diesen wenigen Tagen ist die Zubereitung des Frühstücks eine perfekte Teamarbeit der Crew. Jeder erkennt, was zu tun ist und jeder hilft mit. Meiner Meinung nach muss man zwar morgens nicht so viel reden, aber immerhin muss ich mich maximal durch Grunzen oder Nicken beteiligen. Erstmal ne Tasse Tee. Plötzlich werden wir durch lautes Klopfen am Rumpf hochgeschreckt. Der Hafenmeister ruft: „Eure Fender rubbeln hoch! Euer Boot wird beschädigt!“ Anne klettert halb den Niedergang hoch und bestätigt winkend, das wir ihn vernommen haben. Da ist er auch schon wieder über den wackeligen Steg auf dem Weg zurück. Schnell steige ich ins Ölzeug und Stiefel und gehe an Deck. Mann, ist das laut draußen!

Ich hole einen der beiden dicken roten Kugelfender, um sie erst von links und dann von rechts zwischen Boot und Steg zu bekommen. Die anderen kommen raus, nachdem auch sie in ihre Schwerwetterklamotten geschlüpft sind. Wichtig ist hier, dass man zusammenarbeitet, damit die Fender zur Mitte des Rumpfes nachgeschoben werden können und das gröbste gesichert ist. Leider hat das Gelcoat schon gelitten, der Kreuzpoller scheuerte auf einer Stelle bis zum Laminat durch. Später kleben wir das erstmal mit Panzertape ab. Alle sind hellwach und haben rote Wangen. Jetzt haben wir uns das Frühstück aber verdient!

Es weht den ganzen Vormittag kräftig weiter. Dann wird es etwas ruhiger. Wir ruhen uns alle richtig aus, um für den Schlag morgen fit zu sein. Der Wind soll dann nur noch um die 5 Bft wehen. Bibo gab uns beim Bezahlen auch gleich einen Tipp für unsere Weiterreise: Er zückte seinen Gezeitenkalender und sagte: „Zwei bis drei Stunden vor Niedrigwasser müsst ihr hier los. Das wäre dann morgen früh ab 6. Dann kommt ihr sauber durchs Gatt. Aber ihr müsst warten, bis es etwas hell ist, es sind nicht alle Tonnen befeuert! Und wenn die Flut wieder aufläuft, werdet ihr nach Wilhelmshaven geschoben. In acht Stunden seit ihr da!“

Wir planten für 6 Uhr, denn auf Grund unseres Tiefganges wollten wir die Abfahrt nicht unnötig lange herauszögern (wir wären aber schneller gewesen, wenn wir später los gefahren wären…). Wir legten ab, in dem wir in die Vorspring eindampften. Das Heck drehte fein raus und wir waren weg vom Steg. Das gute, alte, klassische Manöver, das eigentlich immer funktioniert. Ich stand wieder am Rad, fuhr aus dem Hafen und suchte mir die roten Tonnen. Als wir um den Westzipfel von Norderney rum waren und grob in Richtung Ansteuerungstonne fuhren, da kam die Dünung. Wie eine Flaschenpost wurde die riesige Yacht immer wieder beliebig vom Kurs weg gedrückt. Jetzt bloß nicht aus der Ruhe bringen lassen! Hier gibt es noch einige flache Stellen zu beiden Seiten des Tonnenstrichs. Endlich wurde es tiefer, die Dünung länger. Ich nahm Drehzahl raus, ging in den Wind und die Mannschaft setzte die Segel. Dann fiel ich ab, bis wir ca. auf 080 Grad waren, schaltete die Maschine aus und den Autopiloten ein. Es war halb Acht, wir fuhren der Sonne entgegen. Dann meldete ich mich auch ab: Ich wollte wieder in den Schlafsack krabbeln, mich nochmal aufwärmen.

Okay, einen fünften Teil gibt es noch: Klick

(Hinweis: Die einzelnen Beiträge dieses Törns erscheinen etwas ausführlicher auch im Blog des Segeln-Forums)

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