Teil zwei (hier ist Teil eins)
Aber erstmal mussten wir dort sein, das war noch ein recht weiter Weg. Zwei Sachen mit dem Wind waren aber blöder als man denkt: Er war nicht besonders stark und er kam zu weit achterlich. Für die Leser, die noch nicht gesegelt sind: Wenn der Wind genau von hinten kommt, dann liegt das Vorsegel vor dem Gross im Windschatten und flappt (extrem nervenaufreibend) hin und her. Dafür gibt es diverse Lösungen: Nur mit Vorsegel fahren. Dazu sollte man aber ein recht grosses (eine so genannte Genua) nehmen, um den Wind gut auszunutzen. Oder gleich ein Leichtwindsegel (Gennaker, Spinnaker, Blister und wie sie alle heissen). Beides hatten wir nicht an Bord. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Schmetterlingssegeln. Dabei sind Gross- und Vorsegel jeweils zu einer Seite des Bootes ausgebracht. Dieses Manöver hat aber auch seine Nachteile: Man sollte das Vorsegel ausbaumen und das Gross mit einem Tampen (Bullenstander) sichern, damit ein Winddreher nicht das Segel auf die andere Seite rauschen bzw. sausen lässt. Sowas kann fatal sein! Dazu kommt, dass so ein Kurs schwer zu steuern ist: Immer ziemlich den Wind genau achterlich, das schafft ein Pinnenpilot nicht. Und was mich dabei eigentlich noch mehr stört: Das Boot rollt hin und her, leider ohne Rythmus. Dabei ändert sich auch immer der scheinbare Wind auf den Segeln und sie stehen nicht immer gut usw usf. Kurz: Ich mache das nicht gern. Lieber kreuze ich etwas vor dem Wind, so dass er immer etwas seitlich auf das Boot trifft. Dadurch kriegen beide Segel genug Schub.
Jetzt hatten wir Spiekeroog an Steuerbord und es geschahen zwei Dinge auf einmal, die sich nicht gut ergänzen: Der Wind liess noch mehr nach (deutlich unter 3 Bft) und von irgendwo aus Nordwest der Nordsee rollte eine kräftige Dünung an, locker 1,5m Höhe. So schräg von hinten wurde die Slocum angehoben, kippte zur Seite, rollte, surfte den Wellenkamm ab und rollte auf die andere Seite. Wenn dann nicht Fahrt genug im Boot ist, dann ist das nicht nur nervig sondern schon gefährlich! Unten in der Kajüte fingen die Dinge an, aus ihren vorgesehenen Stauräumen zu fliegen und kullerten auf dem Boden umher, wenn sie nicht schon vorher zerbrachen (so wie unsere Pfeffermühle, überall kleine Scherben und Pfefferkörner) oder ihren Inhalt verteilten (Logbuch, Stifte, Zettel etc.). Wir machten die Maschine wieder an, fanden aber weder die richtige Geschwindigkeit noch Kurs, um die Lage zu verbessern. Wir hatten ja das ablaufende Wasser gegen uns und die Geschwindigkeit der Wellen hätten wir unter Maschine (20 PS) nie erreichen können. Also lieber wieder Motor aus, etwas näher unter Land und das beste daraus machen. Ab der Sechs-Meter-Tiefenlinie wurde es erheblich ruhiger, aber den anliegenden Kurs konnten wir nicht halten. Irgendwann mussten wir noch einen nördlichen Schlag machen und kamen natürlich wieder in die laufende Dünung, so ca. ab der 10m-Linie. Nützt ja nix. Mittlerweile hatten wir einige Zeit schon Wangerooge quer ab und wir passierten den Pegel dort draussen, konzentrierten uns darauf, an der nördlichen Buhne von Minsener Oog vorbei zu kommen, ohne ins Jade-Fahrwasser zu geraten. Dort kam auch schon ein dicker Pott von hinten näher. Nicht, dass dort permanent riiiiesige Schiffe hin und her fahren, neinnein. Die machen das immer nur dann, wenn man es eigentlich gerade nicht gebrauchen kann. Immerhin helfen die Pötte einem (indirekt), die Tonnen zu finden. Ihr müsst wissen: Wenn man von Westen kommt, dann ist dort am Horizont von Nord nach Süd und noch weiter alles voller Lichter! Da muss man erstmal erkennen, was Windrad, Tonne, Schiff oder Stern ist. Wir hoppelten also auf die Jade zu und ich konnte es kaum erwarten, um die Ecke zu kommen, weil dahinter ganz sicher die Dünung aufhörte. So war es auch, aber diese knappe Kurve mit ihren Untiefentonnen hat es nun mal in sich. Vermutlich war es gut, dass es schon dunkel war, als wir dort waren und das Buhnentürmchen nur noch als schwachen Schemen erkennen konnten, wenn man wusste, wo man hingucken sollte und was man eigentlich sucht.
Nach dem Abbiegen in die Jade legte ich mich erstmal lang ins Cockpit und ruhte ein wenig. Angela übernahm die Wache und hatte sowohl den grünen Tonnenstrich als auch die Reedetonnen gut im Griff. Der Bukh knatterte vor sich hin, das Segel stand gut, die wilde Dünung wurde durch schwachen Schwell ersetzt: So kann man schlummern!
Irgendwann kam dann das Muschelfeld in Sicht (die Ecktonnen sind gelbblinkend beleuchtet und wir bereiteten uns auf die kommenden Manöver vor: Segel bergen und danach ankern. Um es vorweg zu nehmen: Beides klappte wie erwartet. Das Segel band ich am Baum fest und dirigierte Angela, die an der Pinne sass, zum geplanten Ankerplatz. Es war 1:00 Uhr Nachts, wir waren zehn Stunden unterwegs, das Niedrigwasser war durch, die Flut kam. Wir fanden eine Stelle, wo es 4,6m tief war. Das passte ganz gut. Wenn die Flut noch gute drei Meter dazu packt, sind wir bei knapp 8 Meter Wassertiefe. Also liess ich einfach die ganzen 30m Ankerkette auslaufen, schadet ja nicht. Wir brauchten nicht mal richtig eindampfen, der Flutstrom grub unseren Anker ein, denn flucks hatten wir stehende Peilungen.
Ich übernahm die erste Wache und Angela legte sich unten in der Kajüte hin. Ich machte es mir im Cockpit gemütlich, schaute auf Land, Wasser, Beleuchtung, Sterne und den halben Mond und liess die Fahrt Revue passieren: Das war es wert!
Gegen halb vier ging ich nach unten und machte mir ein Brot mit Wurst, ich hatte ja seit Spiekeroog nix mehr gegessen. Angela wachte auf und wir machten Wachwechsel. Wie schön kann eine schmale Koje mit einer warmen Decke sein! Als ich erwachte, da war es schon hell. Das Hochwasser war etwas eher als wir dachten und so konnte Angela live erleben, wie unser Boot sich vor Anker drehte und dieser sich einfach in neuer Richtung neu eingrub. Cool! Wir hatten nur 2m mehr Wassertiefe danach. Aber der Anker hielt!
Da um acht die erste Schleusung ist, fingen wir um 7:05 an, den Anker aufzuholen. Mit Hand und Ankerwinde die ganze Edelstahlkette einholen, ist nicht ohne! Aber dennoch dauerte es nur Minuten und um 7:13 waren wir frei und nahmen Kurs auf den Vorhafen bzw. erstmal die Tonne H3, die nun ein Stück voraus lag. Schon um 7:20 waren wir im Vorhafen und machten kurz an der Spundwand fest (die Fischerkähne wurden gerade gereinigt). Aus der Schleuse kamen in der Tat drei Segler und wir konnten rein. Um 8:13 Uhr fuhren wir schon wieder raus ins Hooksmeer, es gab nur 30cm Schleusenhub. Punkt 8:40 haben wir an unserem Platz an Steg 8 festgemacht und da wir eh unter Jetlag litten, teilten wir uns erstmal ein Schöffehofer Grapefruit, bevor noch für ein paar Stunden in die Koje gingen.
Am 22.08. um 15:00 fuhren wir los und kamen am 23.08. um kurz vor neun an:
Ende des Törns, aber nicht unseres Urlaubs!