Was wir noch erlebt haben im Nassauhafen

Schon als wir an Bord gingen, kam es uns merkwürdig vor: Die Slocum war relativ weit weg vom Fingersteg. Wir waren doch sonst sorgfältiger mit dem Festmachen des Bootes? Ich schob es darauf, dass sich die Leinen noch etwas gelängt hatten, ist ja immer etwas Reck drin.
So saßen wir unten in der Kajüte und wärmten uns auf. Und wie der Wind unser Boot hin und her schiebt, da fiel uns doch auf, wie sehr sich das Boot bewegt. Also turnte ich aufs Deck und wollte die Vorleine dichter holen. Auf dem Vorschiff wunderte ich mich, dass die Vorleine so doof um die Relingstütze gelegt wurde… und dann erkannte ich es: Die Lippklampe war weg! Eine gute, alte, solide Bronzeklampe! Ich muss gestehen, dass ich gleich zur Backbordseite nach der anderen Lippklampe blickte, mit dem Gedanken, das jemand die geklaut hätte… wie schlecht von mir. Nein, es war der Wind. Und wenn man sich die Stelle in der Scheuerleiste genau ansah, dann erkannte man auch, wie die Schrauben dort schräg nach aussen rausgezogen wurden: Mit jedem Einrucken in die Leine bekam die Klampe einen Schlag und nach dem hundertsten oder wie viel auch immer gibt jeder mal nach, so auch die drei Schrauben der Lippklampe. Diese musste nun irgendwo unten im Schlick liegen. Es war gerade nach Hochwasser. Wie flach wurde es hier? Wer von uns würde tauchen? Wie gut, dass meine Herzallerliebste sich gerade eine neue Taucherbrille gekauft hatte, die musste doch ausprobiert werden! Sie sah das überraschenderweise ganz anders, sie hätte ihren Neoprenanzug nicht mit. Das stimmte zwar, aber was für eine lahme Ausrede! Meine war viel besser: Ich bin echt Wasserscheu. Ich bin gern am Wasser und auf dem Wasser, aber nicht im Wasser.

Gegen 20:00 Abends, kurz vor Niedrigwasser, erübrigte sich das: Ich hatte mich zwar schon damit abgefunden, ins Wasser zu gehen, denn ich wollte die gute Klampe auf keinen Fall ungesucht aufgeben! Aber an unserem Liegeplatz war es so flach, dass ich mit meinen langen Armen bis zum Grund greifen konnte. Und noch etwas tiefer, denn das war nötig: Extrem weicher Schlick. Meine Hoffnungen nach der Klampe verflogen deswegen langsam, denn wenn es nur zwei Tage her war, dann hatte sie Zeit genug, unerreichbar zu versinken. Egal: Ich führte ein paar theoretische physikalische Berechnungen durch, wo ich ins Wasser geplumpst wäre, wenn ich ne Klampe unter diesen Bedingungen wäre, legte mich lang auf den Steg und steckte meinen Arm ins Wasser. Es dauerte gar nicht lang: Macht kaum Sinn, so vorzugehen. Man kann nicht mit der Hand durch den Schlick streifen, sondern nur stochern. Mit dem Bootshaken müsste es besser gehen? Der Plan war einfach: Wenn man mit dem Haken auf Widerstand stiess, dann sofort Innehalten, meinen Arm direkt daneben eintauchen, wühlen und… einige Dinge, die ich ertastete, wollte ich mir gar nicht genauer anschauen. Ausserdem waren einige potentielle Fundstellen wirklich im Grenzbereich der körperlichen Erreichbarkeit. Aber mit langem Arm ging es. Wenn ich mich flach auf den Steg legte. Und die Zehen auf der anderen Stegseite unters Brett krallte. Und Angela sich als zierlicher Ballast auf meine Beine setzte. So hatten wir zwar einen grösseren Expeditionsradius, der Erfolg blieb aber aus. Einmal stiess ich mit dem Bootshaken auf eine sehr erfolgversprechende Stelle, zog den Haken aber zu schnell wieder raus und fand sie nicht wieder. Ich nehme auch an, dass wir durch das Stochern im Schlick eine eventuell dort liegende Klampe nur tiefer reingewühlt hätten. Es hatte keinen Zweck.

Zum Glück bin ich Schlossermeister und im Kopf überlegte ich schon, wie ich eine neue Lippklampe bauen könnte. Aber das werde ich nicht machen, sondern: Blechstreifen auf die Scheuerleiste schrauben, so dass Leinen dort einen soliden Untergrund haben. Ein anderes Schiff mit solchen Verstärkungen hat mich dazu inspiriert. Eine Leinenumlenkung halte ich nicht für notwendig.

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