Euer Schiff scheint ja gut zu laufen

Neulich machte unser netter, Orts- und offenbar auch Schiffskundige Leser Mathias in einem Kommentar unter anderem die im Titel genannte Feststellung: Euer Schiff scheint ja gut zu laufen.

Ein Skipper, besonders ein Eigner, hört sowas natürlich gerne. Ich nehme das mal als Anlass, etwas nieder zu schreiben, was mir als Thema schon seit einiger Zeit durch den Kopf geht – Vertrauen ins Boot. Als wir sie „neu“ hatten, da sind wir nicht rausgefahren, wenn es mit 5 Bft wehen sollte, und wenn es nur die Böen waren. Wir hatten viel (zu viel?) Respekt. Mittlerweile ist das anders, wir haben uns entwickelt.
Und es ist was eigenartiges passiert, nachdem ich am Motor „rumschrauben“ musste: Ich vertraue nun nicht nur dem Motor, sondern der ganzen Slocum viel mehr als sonst je vorher.
Dazu muss man wissen, dass ich bisher mit jedem meiner Boote mindestens ein doofes Motor-Erlebnis hatte. Und das wird man nicht mehr los! Und wem schon mal auf der Weser bei ablaufend Wasser der Außenborder auf einem kleinen Boot verreckt ist, der kann das vielleicht nachvollziehen. Seinerzeit hatte ich sogar an einer roten Tonne (116) festgemacht, um nicht weiter abgetrieben zu werden. Mit unserem dann größeren Motorboot hatten wir auch zwei Erlebnisse (wobei „Tank leer“ natürlich extrem dusselig ist).

Wie auch immer: Stets habe ich diese Dinge im Hinterkopf und meine Phantasie tat den Rest. Was dabei auch nicht hilfreich ist: Seit vielen Jahren habe ich einen Tinitus (ca. 6000 Hz). KEINER, der das nicht hat, kann sich das vorstellen… aber gut, da muss ich mit fertig werden.
Auf jeden Fall war ich bei jeder Fahrt mit unserem Boot stets auch mit den Gedanken beschäftigt, die auf das Thema „was wäre wenn“ abzielen. Das könnte man auf gute Seemannschaft anrechnen, wenn ich immer eine gute Antwort auf diese weiterführenden Fragen hätte. Aber ich machte mich einfach nur verrückt. Tinitus-Inhaber sind arge Grübler.
Und dann kam die überraschende… nein, nicht Wendung, aber immerhin: Schlichtung der Gedankenwogen. Mir war auf einmal bewusst: Das Boot segelt relativ trocken, und wenn mal was überkommt, dann muss man es eben wieder hinaus befördern. Rechtzeitig prüfen und feststellen statt „verdrängen“… und ich wusste: Die Slocum kann was ab. Rechnerisch ist sie eh untertakelt und wenn sie auch recht rank ist, so sorgen doch die Eisenbahnschienen tief unten im Kiel für das benötigte aufrichtende Moment.

Als wir uns vornahmen, nicht ein Ziel zu erreichen sondern einfach zu segeln, und wenn der Tag zu Ende ist, dann sieht man weiter, da waren wir auch „vom Kopf her“ mitten in unserer Auszeit. Dieser Moment, wenn Pläne auf einmal nicht mehr so wichtig sind. Als wir neulich auf dem Weg von Aarö nach Middelfart auf die Böenwalze stießen, da haben wir „einfach“ überlegt, welches nun die sinnvolle Strategie sein müsste und danach verfahren. Gedacht, getan, danach wieder auf Kurs gegangen, nix passiert, alles im Griff. Und wieder ein klein wenig dazu gelernt.
Mir wurde Segeln nie richtig beigebracht, sondern ich habe einfach nur geguckt, nachgemacht und gehandelt. Hauptsächlich damals auf der Sutje, mit Mark (ein bemerkenswert ruhiger und guter Lehrer für solche Dinge). Und: Segeln kann man nicht aus Büchern lernen. Lesen hilft zwar, um zu verstehen, aber Machen ist der Weg. Und meine Seglerkarriere ist noch nicht alt (im Verhältnis zu mir)… wann eierten wir über die Weser, Mark?
Mittlerweile bin ich richtig stolz, denn ich kann unseren Langkieler sogar rückwärts fast metergenau steuern und „enge“ Boxengassen meistere ich auch (nämlich mit Voraussicht und einer auf Langkieler trainierten mentalen Was-passiert-dann-Maschine im Kopf). Immer schön gucken, auf den Wind achten, und sowas wie Lateralplan muss man zwar nicht im Schlaf erklären, aber physikalisch verinnerlichen können.
Und mit jeder Meile, wenn die Segel stehen und man den Wind beobachtet, weil man ja in eine bestimmte Richtung möchte, lernt man dazu. Wo kann man noch trimmen? Wann lieber einfach laufen lassen? Wo kriegt man Höhe her? Und, wichtig: Rechtzeitig den richtigen Kurs wählen, um das Ziel überhaupt zu erreichen. Ja, wir wissen: Das Boot läuft dadurch nicht mehr Höhe, aber: wir!

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