Die Obadja, eine Dufour Arpege 30, ist das Ausbildungs-Segelboot vom OYC. Im Sommer liegt sie in Hooksiel, das Winterlager ist auf der Freifläche in Oldenburg. Also muss sie jedes Jahr hin und her gefahren werden. Und obwohl es viele Segelbegeisterte im Verein gibt, steht nicht immer sofort jemand zur Überführung parat.
Vor einigen Tagen erfuhr ich, dass Olivier die Obadja von Bremerhaven nach Hause holen möchte. Dort hin hatte sie Thorsten gebracht. Olivier suchte noch Mitfahrer, aber es gab zwei Herausforderungen: Erstens war der Termin mitten in der Woche: 02.11.2022, NW Bhv sollte 13:24 Uhr sein. Und zweitens gab es in der Deutschen Bucht Sturmböen, die auf der Weser noch für 7 Bft sorgten.
Da bin ich doch dabei! Die Weser kenne ich sehr gut, Olivier ist ein guter Segler und die Obadja ein tolles Boot. Es hätte noch wer mitkommen können, aber es meldete sich sonst keiner mehr. So verabredeten wir uns und fuhren nach Bremerhaven. Im Gepäck Ölzeug, Teekanne und Stullen.
Der Tag begann eigentlich recht sonnig, aber die Böen waren wirklich erstaunlich: Meistens war gar kein Wind und plötzlich flog alles davon. Das hielt auch bis zum Nachmittag an und wir wissen: Die Vorhersagen können hier nicht immer präzise sein. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Steg fing es dann auch gleich mal zu regnen an, zum Glück nur ein kurzer Schauer. Nun wollten wir aber auch schnell los, denn außer dem Wetter wartete auch noch die Dunkelheit auf uns, und das dann nachher auf der Hunte! Aber dazu später mehr. Ich funkte die Kaiserschleuse an (die Schleuse Neuer Hafen wird außerhalb der Saison von denen ferngesteuert), bat um eine Öffnung und die Antwortet kam lässig und prompt: „Ja, das kriegen wir hin“. Flott warfen wir die Leinen los, eine Böe drückte uns bald quer aus der Box und vor dem Schleusentor mussten wir gar nicht lange warten. Natürlich waren wir allein. Als das äußere Tor auf ging, da sahen wir draußen schon das Kabbelwasser. Die Weser, der Wind, der Ochsenhals! Da draußen ist bei Wind immer ordentlich was los, ich könnte euch von Erlebnissen erzählen! Selbst ohne Segel schoben wir gewaltige Lage. Aber wenn man es weiß: Man muss einmal rüber über die Weser und an der Reede vorbei, dann wird es ruhiger. Wieder begleiteten uns Schauer und der Wind kam aus der üblichen Richtung: von vorn. Bis zum nächsten Knick der Weser werden wir motoren müssen.
Nach einer Stunde passte alles: Wir banden das zweite Reff ins Groß und leider muss man noch an den Mast, um das Segel hoch zu ziehen. Das ist bei den Wellen kein Spaß! Die Fock rollten wir auch bis zum Reff raus, da war die Maschine schon aus. So machten wir locker 7 Knoten Fahrt, wobei die Weser noch gar nicht richtig strömte! Das waren dann über Stunden sehr schönes, aber auch aktives Segeln.
Bei Brake war es damit vorbei: Erst kamen wir in die Abdeckung der Silos und der Wind wirbelte dermaßen, dass wir nicht mal eine ordentliche Wende fahren konnten. Also wurde der Motor angeschmissen und das Vorsegel wieder eingerollt. Eine Zeitlang fuhren wir mit Groß und Maschine weiter. Irgendwann, noch vor der Huntemündung, packten wir auch das letzte Segel wieder ein, der Wind hatte absolut nachgelassen. Und es war auch schon viertel nach vier. Um 16:53 Uhr ist Sonnenuntergang! Wir bogen in die Hunte ab und ich merkte: Hier fliesst das Wasser noch ab! Niedrigwasser in Oldenburg wird erst um 16:26 Uhr sein. Wir legten kurz am Steg vom Stadthafen an, Agnes (eine Motorbootfahrerin aus dem Verein, die unbedingt mal mitfahren wollte) kam an Bord und um 17:15 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg. Genau rechtzeitig, denn über Kanal 73 hörten wir, dass ein Binnenschiffer bei der Elsflether Brücke anfragte. Und die antworteten: „In zehn Minuten machen wir auf“! So drehten wir nur einen einzigen Kreis vor der Brücke und konnten schon weiter. In 20 Minuten würde wir die Heinrich-Brücke erreichen. Ganz stetig merkten wir auch, dass das Wasser nun auflief, wir wurden immer schneller. Olivier merkte an, dass man auf der Hunte gar nicht so schnell fahren dürfe, aber ich überzeugte ihn, dass das für Segelboote, die nach Hause wollen und es bald Dunkel werden würde, natürlich nicht galt. Das sah er ein. Wir machten bald gute Fahrt, die wir auch gebrauchen konnten. Es gab nämlich noch eine weitere kleine Herausforderung, die nicht jeder hier aufm Zettel hat: Die Eisenbahnbrücke Oldenburg öffnet nur bis spätestens zwei Stunden nach Sonnenuntergang…
Olivier wollte die Hunte-Klappbrücke für eine Öffnung selbst anfunken, er braucht Funkpraxis. Die Funkerei machte er so ausführlich, dass statt der Klappbrücke die Eisenbahnbrücke in Oldenburg antwortete 🙂 Deren Rückfrage beantwortete ich statt Olivier und kurz danach bekamen wir auch eine Öffnung der Hunte-Brücke. Der Wärter fragte uns, ob wir das gewusst hätten: Vor einer Stunde war die Brücke noch in Wartung. Hm, davon wussten wir nix. Man muss auch mal Glück haben. Nach dieser Brücke wird man schneller, weil die Hunte dort so schmal ist und das Wasser ordentlich strömt.
Bis dahin konnte man noch einen hellen Streifen am Horizont sehen, aber der verschwand bald hinterm Deich. Dafür leuchtete der Halbmond schön, so dass wir uns immer mittig auf dem Wasser halten konnten und dem Ufer nicht zu nahe kamen. Das Wasser war mittlerweile glatt wie Folie. Es ist schon beeindruckend, so im Dunkeln dort lang zu fahren und die Geräusche der Natur wahrzunehmen. Jetzt wird einem auch klar, warum bei Booten das Hecklicht weiß ist und nicht das vordere: Es würde einen nur blenden. In der Ferne sah man Lichter über die Autobahn fahren, unter der wir bald durch fahren würden. Wenn man erstmal bei der Autobahnbrücke ist, dann braucht man nur noch gute 20 Minuten bis zur Eisenbahnbrücke OL. Ich hatte mir gemerkt: Ab 19:08 Uhr ist eine Öffnung möglich und wir hatten ein perfektes Timing: 18:59 Uhr waren wir vor der Brücke. Das Timing der Bahn war leider nicht so perfekt. Der Brückenwärter teilte uns mit, dass da noch ein Güterzug angemeldet ist, der muss erst durch, dann kann die Brücke auf. Der Zug kommt um 19:38. Okay, dann heisst es für uns: warten. Wir machten an der Steuerbord-Spundwand fest, gleich vorn am Knick und bewunderten die Nacht, die Züge, das Wasser und die Stadt mit ihren Lichtern.
Der Güterzug kam fast pünktlich, die Brücke machte nur die Backbord-Seite auf (wie über Funk angekündigt) und wir konnten durch. Auf der anderen Seite, vom Küstenkanal kam noch ein Binnenschiffer mit ordentlich Schub und fünf fetten Scheinwerfern auf dem Deck um die Ecke, aber er schaffte diese Öffnung nicht mehr, vielleicht 300m oder zwei Minuten fehlten. Wir hörten den Brückenwärter auf UKW noch sagen: „Na dann bis morgen um 6“.
Wir tuckerten gerade aus durch zu unserem Steg und während ich das Boot nahe der Spundwand drehte, fragten uns Gäste vom Ols: Dürfen wir mit? Gerne hätten wir Ja! gesagt, aber hier war unsere Fahrt zu Ende.
Ich hatte unterwegs noch ganz viele Fotos gemacht, wollte die aber nicht alle einzeln hier reinpfriemeln. Und weil ich noch kein schönes Galerie-Plugin gefunden habe, erstellte ich eine kleine Diashow. Wäre doch schade, wenn die Fotos keiner sehen kann 😉
Klasse Bericht!!!
Vielen Dank Holger.
Toller Bericht und eine eindrucksvolle Fotodoku! Spitze
Klasse,
Da bekommt man wieder richtig Lust auf Segeln und Meer.