U23 – Welcher Seemann… Teil 2

Ich schrub: „Gern hätte ich Juist in der richtigen Reihenfolge angelaufen, aber Wind, Tide und Wasser haben Vorrang. Dazu haben wir mit Borkum quasi noch eine Rechnung offen“

2020, als wir unsere Auszeit verschoben und von Hafen zu Hafen getingelt sind, da waren wir mit Slocum schon auf Borkum: Klick. Damals fuhren wir danach außen rum von Borkum nach Norderney. Schöne Strecke eigentlich, aber eben nicht immer: Obwohl man es besser weiß.
Okay, wir hatten unsere Erfahrungen gemacht und beim diesmaligen Schlag waren wir besser vorbereitet. Dafür gab es eine neue kleine Herausforderung: Ein Umweg, den man besser fahren sollte.

Norderney hin und weg

Auf dem Schluchter-Fahrwasser (rote Pfeile) sind allein dieses Jahr schon mindestens elf(!) Schiffe hängen geblieben und mussten von der DGzRS gerettet werden… verschwundene Tonnen, Mindertiefen, Versandungen, Holländer. In den BfS stand es immer drin, aber die liest ja nicht jeder (oder, wie ich von einem hörte: „Ich hab das nicht geglaubt!“). Uns war klar: Da fahren wir nicht durch. Letztes Jahr im April habe ich die Blue Cruise dort noch mit 2,2m TG durchgesteuert, aber dieses Jahr fahre ich nicht mal mit einsvierzig da durch. Wir fahren durch das Dove-Tief, die grünen Pfeile. Und man kann erahnen, welch „Umweg“ das ist, wenn man nach Westen will.
Wenn man im Norderneyer Hafen startet, dann dauert es durchaus eine Stunde, bis man „oben“ ist, wo der grüne Pfeil einen Bogen macht. Dort setzten wir das Großsegel, rollten danach die Genua aus und liessen den Windpiloten steuern. DAS war klasse segeln!

Und wenn man nach Borkum segelt, dann darf man sich sogar entscheiden, in welchen Hafen man denn liegen möchte. Das hat ja auch nicht jede Insel. Damals lagen wir im großen Schutzhafen, aber es gibt ja noch Port Henry. Der ist gleich daneben und entweder berüchtigt oder legendär, je nach dem, wen man fragt. Bei einer Feststellung sind sich alle einig: Der schrottige Charme hat was. Aber kommt man überhaupt in den Hafen? Es gibt keine klaren oder gar offiziellen Informationen, aber es gibt: Segler, die sich austauschen. So erfuhr ich, dass vor kurzem wohl gebaggert wurde und ein Steg ist sogar neu: Das passt.
Bei Port Henry liegend können wir verkünden: Der Hafen fällt nicht trocken! An unserem Liegeplatz (Westseite) war immer genug Wasser. Die Stege saufen nicht ab, es gibt keine Löcher etc. Über alles andere schreibe ich vielleicht noch einen eigenen Beitrag… wir wollten aber dann ja irgendwann weiter, nach Juist! Immer wieder verglichen wir Wind- und Wetterdaten mit dem Kurs, guckten nach dem Wasserstand und weil eben wie erwähnt an diesem Mittwoch wieder Spring angesagt ist und 2dm mehr Wasser (BSH), wollten wir es wagen. Die Planung war nicht einfach, denn wieder waren es zwei Wattenhochs, die zu nehmen sind. Ich rechnete im Kopf:
Borkumer WfW soll 1,7m haben. Dazu 0,2m mehr macht 1,9m. Tidenhub ist hier zwofuffzig. Ein Zwölftel = 20 cm (gerundet). 1,9 minus ein Zwölftel für die erste Stunde und noch ein Zwölftel für die nächste halbe Stunde macht 1,4m. Gut. Hochwasser Borkum 12:14 Uhr minus 1,5h = 10:45 Uhr ungefähr am Wattenhoch müsste passen. Das ist 3,5 Seemeilen entfernt. Mit knapp fünf Knoten Fahrt wäre das eine dreiviertel Stunde vom Hafen entfernt (3,6 durch drei mal vier mach 4,8). 10:45 minus eine dreiviertel Stunde: Um zehn müssen wir los! Klar soweit?
Aber die Planung ging ja noch weiter: Wenn das geschafft wäre, dann sind wir hoffentlich auf der Osterems. Dort fahren wir mit dem Strom Richtung Wattfahrwasser Juist. Die blauen Pfeile im Bild:

Quelle: Openseamap.org, von mir verfeinert 😉

Der Weg mit dem roten Pfeil ist offensichtlich einiges kürzer, aber: Dort soll es nur 1,3m Tief sein, nix für uns. Wir wählen den gelben (Um)Weg. Das sind dann ca. sechs Seemeilen bis zum Juister WfW, wo es wieder flach wird. Hochwasser dort: 12:33 Uhr. Also weiter rechnen: Wenn wir 10:45 Uhr über das erste Wattenhoch sind, dann müssen wir noch ca. zweieinhalb Meilen weiter bis zum tiefen Wasser und dann die sechs Meilen. Für diese 8,5 sm haben wir also eindreiviertel Stunde Zeit. Da hilft es enorm, wenn wir mit dem Strom durchs Gatt über 6 Knoten Fahrt machen! So war es auch. Aber im Hinterkopf: Sollten wir nach dem Hochwasser erst dort sein, ist es auch nicht schlimm. Es ist ja auch noch Wasser da, auch wenn es wieder abläuft… wenn wir also erst 13:30 Uhr,  eine Stunde nach Hochwasser, ankommen, dann passt das immer noch klasse.

Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis lernt man vermutlich sehr gut auf einem Segelboot kennen und im Wattenmeer kann man direkt mitfiebern, wenn man Seekarte und Wirklichkeit vergleicht: Die Tonnen und Pricken sind eigentlich nie so, wie sie „damals“ waren und in den Seekarten ist es niemals korrekt. Beim Borkumer WfW – also dem ersten noch vor der Osterems – kam ein geradezu sportlicher Haken am Ost-Ende hinzu, und weil wir Backbord (Richtung Norden) die beeindruckende Brandung sahen, wollten wir auch nichts anderes ausprobieren. Wieder ne Meile mehr… Und was uns dort (der erste blaue Pfeil ganz links) für eine Dünung erwartete… beindruckend!

So, wo war ich? Ach so: Wir fuhren den Weg weiter, machten echt gute Fahrt. Nun mussten wir nur noch die richtigen Tonnen finden. Und da machen Angela und ich nix Heldenhaftes, machen es nicht unnötig spannend an Bord: Mit dem iPad und Navionics kann man seinen Weg schön mit der Realität abgleichen. Dazu muss man wissen: Wo im Bild die blauen Pfeile aufhören und die gelben beginnen, ab dort sind es nur noch knapp drei Meilen bis zum Hafen. Eine halbe Stunde oder so und wir haben es geschafft! Da können uns auf dem Prickenweg entgegenkommende Fähren auch nicht mehr aus der Bahn werfen (Bilder werden nachgeliefert).

Um ziemlich genau 12:58 Uhr machten wir im Juister Yachthafen fest und beim Anlegen gab es keine Probleme, die ein Schlossermeister nicht in wenigen Minuten wieder gefixt hätte! 😉

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