Das Boot reparieren, wo andere Urlaub machen

Sagt euch der Titel was? Viele Langfahrt-Segler erwähnen das immer wieder „gern“ in ihren Berichten und Büchern: Langfahrt heisst, an den schönsten Flecken der Welt sein Boot reparieren. Da wollen wir natürlich nicht hinten anstehen.

Die gute Nachricht war ja: Unsere Stopfbuchse ist in Ordnung. Aber als ich so in den Motorraum unterm Cockpit schaute (was man bei weitem nicht täglich macht), fiel mir auf: Da war eine feuchte Stelle an der Dieselleitung. Im ersten Moment wollte ich mir einreden, dass wäre eine Kühlwasserleitung, aber nee: Das ist Diesel. Das konnte ich nicht so lassen. Wir wunderten uns schon, wenn wir mal die Bilge lenzten: Immer war da auch so ein leicht öliger Film drauf und wir wussten nicht, woher das kommen sollte. Das hier war die Erklärung. Ich gehe davon aus, dass das dort schon länger rauskam, aber einerlei: Das muss gemacht werden. Als ich das für mich festlegte und darüber nachdachte, wo ich denn nun einen Mechaniker her bekomme, da ahnte ich schon tief in meinem Innersten: Das muss ich selbst machen. Und ich bin bei weitem kein Motorenschrauber. Klar, ich kenn mich „son büschen“ aus, habe mich aber immer nur so weit damit beschäftigt, wie ich musste. Ich habe ja auch damals bei unserer Pepino in Bremerhaven die Dieselpumpe am OM636 gewechselt (da hatten wir das Blog noch nicht) und eine Seekarte als Dichtung zurecht geschnitzt. Auch als ich Rasenmäherrennen fuhr, da schraubte ich an den Motoren.
Ich weiss, wie Motoren funktionieren. Und man kann für meinen Bukh DV20 im Netz ein Werkstatthandbuch als PDF finden. Und ehrlich, Leute: Mehr braucht man nicht, um einen Bukh zu warten oder zu reparieren! Neben dem Werkzeug natürlich. Aber das sind alles Standardgrößen, nix außergewöhnliches. Aber ich wollte ja eigentlich einen Schrauber, der uns das eben fertig macht. Als erstes ging ich rüber zum Flensburger Yachtservice. Die haben zwar keinen Mitarbeiter mehr, der speziell für Motor da ist, aber die sind sehr hilfsbereit: Er zückte sein Handy und rief bei Thiesen an, ein Bootsmotoren-Service in Flensburg, gleich in der Nähe. Und die haben nen Arsch voll zu tun und auch noch Leute in Urlaub. Aber „morgen“ (also Dienstag) zwischen 15 und 16 Uhr wäre jemand im Laden.
Weil ich nicht warten wollte, fand ich noch jemand anderes per Google in Handewitt und rief den an. Der war etwas wortkarg, aber technisch fit: „Schick mal Bilder per WhatsApp“. Also über Angelas Handy die von mir vorbereiteten Aufnahmen geschickt und noch mal Kontakt aufgenommen: Joa, muss man hier und da aber er hat vor Mittwoch absolut keine Zeit.
Dienstag morgen um 8:11 Uhr schickte er eine Sprachnachricht: Ein Kollege würde uns gleich zurück rufen. Und das war Lutz Clausen. Ich verlinke ihn unten, weil er sich das wirklich verdient hat. Nicht nur super Nett sondern auch echt fit, was (Bukh)Motoren angeht. Er gab mir telefonischen Support, hatte aber auch wenig Zeit und wollte auch nicht unbedingt von Schleswig nach Flensburg kommen. Er hatte sogar einen Bukh DV10 (das ist mein Motor in klein) zum ausschlachten dort.
Mein erster Fehler: Ich sprach am Anfang immer von der Einspritzdüse, wo es lecken täte, es war aber die Einspritzpumpe. Und es war definitiv nicht die Überwurfmutter der Leitung, die man eben hätte nachziehen können. Das kam unten am Einsatz raus. Lutz sagte, ich könne ja versuchen, ein kleines Stück nachzuziehen, ein hundertstel Umdrehung könnte ja schon reichen, aber da war nix zu machen.
Ich fummelte da rum und reinigte alles. Bremsenreiniger hatte ich ja da. Was ich schon erwähnt hatte: Das Brett mit der Niedergangsleiter kann ich ja eh weg nehmen und schaue dann auf Schwungscheibe etc. Um aber an die Sachen weiter hinten ran zu kommen, gibt es bei der Slocum ganz komfortabel eine Klappe an der Seite. Durch die Hundekoje. Dazu muss diese leer. Wenn alles raus ist, ist die Kajüte voll (wie passt das alles dort nur rein?). Dann lege ich mich mit dem Kopf voran in die Hundekoje und dank Stirnlampe konnte ich oft sogar mit beiden Händen hantieren, wenn ich denn meine Arme so verbogen kriegte. Leider kann man da kein Foto von machen, welches die Situation darstellt, aber hier ist die Schadstelle:

Vorn unten sieht man noch den Abgaskrümmer und in der Bildmitte die beiden (2 Zylinder) Hochdruckleitungen zu den Düsen. Die linke, rostige leckte etwas. Die zweite Idee, wenn Nachziehen nicht reicht: Abdichten. Ich habe Metallknete an Bord und versuchte, die Stelle gut fettfrei zu kriegen. Aber es half nichts: Die Knete haftete nicht und dann hat es keinen Sinn, rumzupfuschen.

Nun war es mittlerweile 15 Uhr und ich radelte nach Thiesen. Gegen 15:15 Uhr kamen deren Wagen und damit die Monteure und auch denen: Hut ab! Technisch fit, nett am plaudern (Handwerker erkennen sich irgendwie). Ich fing nur an, das Fehlerbild zu beschreiben, da zog er im Laden schon die Schubladen auf, weil er was suchte: O-Ringe. „Hier“, sagte er und beschrieb gleich die technischen Details: „Nachziehen bringt da nix. Da sitzt Plan Metall auf Metall. Aber über dem Gewinde sitzt ein O-Ring und wenn der nicht mehr kann, dann suppt das da raus.“
Da er eeecht fit im Thema war, hoffte ich, ihn überreden zu können, das „eben schnell“ für mich zu machen, aber die hatten auch eeecht keine Langeweile und er sagt: „Du schaffst das. Musst nur sauber und geduldig arbeiten, dann geht das“. Sauber und geduldig, aha. Aber er erklärte mir wirklich Schritt für Schritt, wie ich es machen sollte und ich stellte wohl einigermassen intelligente Rückfragen, sagte Dinge wie „Hochdruckseite“ und „Niederdruckseite“ und fragte nach dem Entlüften. „Klar, musst du dann auch noch machen.“
Und das beschrieb er mir auch sehr plausibel, wobei ich ihm folgen konnte, weil ich vorher das Werkstattbuch durchgeschaut hatte. Dann gab er mir die O-Ringe. „Pfennigartikel“. Ich wollte was in die Kaffeekasse packen, hatte aber nur noch dänische Kronen dabei. Das tat mir echt leid, war aber für ihn kein Problem. Nimm man mit.

Bald war ich wieder an Bord und musste meinen Mut sammeln, um dabei zu gehen. Mulmig war mir schon. Ein wesentlicher und störender Gedanke dabei: Wie schnell fällt einem mal was aus der Hand? Bei dieser Arbeit wäre dieses Teil, egal ob Schraube oder Werkzeug, für immer verloren, denn unten in die Bilge unterm Motor komme ich mit keinem Arm ran. Das geht da noch nen Meter weiter runter und wird immer schmaler. Wenn man dann weiss, dass man eine (komplette) Einspritzpumpe noch neu kaufen kann für 1069,- Euro… oha. Aber ich musste ja gar nicht die ganze Pumpe ausbauen, nur den Einsatz. Und der Lutz hätte zur Not ja noch einen an seinem DV10. Ich rief ihn noch mal an: „Du schaffst das, ist nicht so wild, da verstellt man nix, kannst so rausziehen, wenn es gar nicht geht, dann sagst du Bescheid, dann kann ich morgen ab 10 kommen“.
Also Fakten schaffen: Wenn ich die Leitung erstmal los habe, dann gibt es kein Zurück. Dann muss ich eh entlüften. Also löste ich mit nem 17er die Leitung. Und immer schön sauber halten, es darf keine abgeplatzte Farbe etc. in die Pumpe gelangen! Denn sowas wird bis zur Düse durchgedrückt und dann ist…. jaja. Ich sprühte noch mit Reiniger, legte einen Lappen in die Runde und ab das Ding. Ging relativ gut. Nun den Einsatz, das war SW19. Und Bombenfest. Nix zu machen. In der Werkzeugkiste kramte ich ein Rohr hervor. Das konnte ich so einigermassen über das andere Maul am Schlüssel stecken. So, nun die Artisteneinlage: Mit beiden Armen durch die Öffnung, passend auf den auszuschraubenden Einsatz stecken, das Rohr drüber, dann alles so festhalten, dass nix runterfallen kann und kräftig ziehen. Als erstes zog ich mich selbst gegen die Holzverkleidung. Ich wiege 95 Kg. Nochmal krääääftig ziehen, etwas fluchen, drauf scheissen und mit dem letzten Ruck löste sich der Einsatz ein wenig. Das war geschafft! Nun vorsichtig rausschrauben (wenn der in die Bilge fällt, dann…), darauf achten, dass kein Dreck nirgends hinkommt und als ich spürte, dass nun die letzte viertel Umdrehung kommt, hielt ich ihn bald sicher in der Faust. Erst musst ich die Hochdruckleitung mit irgend einem Finger bei Seite drücken, denn die war voll im Weg. Darunter kam eine Feder zu Vorschein, die mir fast weggefallen wäre. Weil sie nicht mehr vom Einsatz geführt wurde, hing sie schräg in der Öffnung.

Oberer Einspritzpumpeneinsatz

Da ist der Bursche! Rechts beim dünnen Gewinde wird die Leitung angeschlossen, links das dicke Gewinde sitzt im Pumpengehäuse. Und dort sieht man eine Nut am Gewinde-Ende, aber: keinen O-Ring! Das ist natürlich eine Erklärung, warum es dort leckt. Der mir geschenkte Ring passt dort stramm drüber. Nun muss ich das nur noch wieder zusammenschrauben. Um es kurz zu machen: Mit riesigem Bammel und zwei mal Ansetzen und die Feder mit der dritten Hand halten und führen schaffte ich es dann, dass erstmal das Gewinde fasste. Das ist die halbe Miete. Einschrauben, festziehen (Drehmoment nach Gefühl) und dann die Leitung wieder drauf und fest.

Nun durchatmen (gut, dass ich nicht mehr rauche) und dann ans Entlüften. Das machte ich von vorn, nicht von der Seite. Ich bekam die Überwurfmutter an der Düse ums Verrecken nicht lose. Da muss aber die Luft raus. Ich rief Lutz an. Er fing an, das Entlüften zu erklären und ich unterbrach ihn mit einem Hinweis. Seine Antwort: „Erst zuhören, dann fragen“. Nun verstand ich: Die Mutter musste gelöst werden. Ihr könnt euch kaum vorstellen, wie eng es auch da zu geht. Man kann mit zwei Fingern den Schlüssel ansetzen, aber wer soll den drehen? Ich. Muss gehen. Ich entlüftete erst die Niederdruckseite (das geht einfach, ich erspare mir das Erzählen der engen Fummelei) und dann oben. Angela musste helfen, denn ich konnte nicht Deko ziehen, Überwurfmutter kontrollieren und Motor durchdrehen lassen. Da war noch ein guter Tipp von Thiesen: Seeventil schliessen, um Wasserschlag zu vermeiden (wer es nicht versteht: Es führe zu weit, das hier zu erklären).
Wir hatten uns sortiert, ich erklärte Angela alles und dann wurde georgelt: Irgendwann spürte ich rythmische Spritzer an meiner Hand und zog die Mutter fest.

Dann machte ich das Seeventil wieder auf, überdachte ganz kurz, ob wir nun echt fertig wären und startete den Motor: Brumm!
Ein Blick durch die Klappe: Nee, das suppt nicht. Da war zwar Diesel, aber das kam sicher vom Entlüften. Geil! Ich rief Lutz an und erzählte ihm alles. Er freute sich ehrlich und ich bedankte mich mehrfach. Der Mann ist so bescheiden. Wenn ihr mal in der Gegend seit und habt Fragen oder Probleme mit dem Motor: Unten den Link klicken und gebt ein gutes Trinkgeld!

Da ich durch die Arbeit ja die Kosten für einen Mechaniker gespart hatte, lud Angela mich zum Italiener ein. Davon wird Angela berichten….

Hier noch die Links zu den talentierten Schraubern:
Bei Thiesen wurde ich sehr, sehr gut fachlich beraten und es war auch sehr sehr nett, mir die O-Ringe „so“ zu überlassen:
http://www.bootsmotoren-thiesen.de

Und Lutz Clausen, Danke noch vielmals! So eine tolle telefonische Unterstützung und fachlich echt fit!
cl-bootsservice.de
Ich bekam seine Nummer von Christian Krappitz, der offenbar noch weniger Zeit hat als alle anderen. Ist doch irgendwie schön, wenn das Geschäft brummt.

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