Wie man eine Wattfahrt plant – Teil 2

Wir wollen also von Hooksiel nach Wangerooge (siehe Teil 1). Sagen wir: Nächsten Freitag, den 28.08.2020. Ein schönes Wochenende auf der Insel, das wäre was!

Hochwasser Wangerooge ist laut Gezeiten-kalender.de: 28.08.2020 20:37 CEST
Das passt doch super, da können wir noch vor Sonnenuntergang da sein! Aber von Hooksiel zur Einfahrt bei Minsener Oog (Punkt A im Bild unten) sind es ca. 6sm, und wir müssen gegen das auflaufende Wasser, also zeitig los! Ich rechne mit max 3kn über Grund, wir wollen knapp vor Hochwasser auf Wangerooge sein: Für die 8 Meilen Watt 2 Stunden, für die 6 Meilen auch, ergibt: 16:30 los. Da nehmen wir die 16:00Uhr-Schleuse. Was müssen wir noch wissen? Wie tief ist das Watt! Wir schauen beim Wattsegler:

Telegraphenbalje 2,00m 05.2020
Minsener Oog Wattfahrwasser 2,50 m 08.2020

Müsste passen 🙂
Wir wollen es genauer wissen? Hier verwenden wir die Zwölfer-Regel, die gibt einen guten Näherungswert. Muss ich das erklären? Ich versuche es mal ganz kurz: Die Höhen des auf- und ablaufenden Wassers ähneln einer Sinuskurve. Zu Beginn steigt/fällt das Wasser langsam, bei halber Tide am schnellsten. Man teilt den Tidenhub durch zwölf. In der ersten Stunde steigt das Wasser um ein Zwölftel, in der zweiten um zwei Zwölftel, in der dritten um drei Zwölftel. Dann wieder rückwärts: Drei, zwei, eins. Macht insgesamt 12 Zwölftel in 6 Stunden.
Bei Wangerooge sind es i.d.R. keine drei Meter Tidenhub, wir rechnen: 300 / 12 = 25cm. Wenn wir zwei Stunden vor Hochwasser da sind, dann sind es ein Zwölftel plus zwei Zwölftel = drei Zwölftel = 3 x 25 = ca. 75cm weniger Wasser zwei Stunden vor Hochwasser. Minsener Oog hat 2,5m. Abzgl. 75cm macht 1,75m.

Klick aufs Bild zeigt es grösser

Wir haben 1,3m Tiefgang: passt also locker. Aber, sagt ihr,  bei der Telegraphenbalje (x im Bild) wären ja nur 2m, weniger 75cm macht nur 1,25m? Jaha, aber wenn wir dort sind, ist es ja nur noch eine Stunde vor Hochwasser, also wieder zwei Zwölftel dazu und dann haben wir dort auch 1,75m. Prima, was? Ausserdem haben wir ja noch einen kleinen Puffer, weil der Tidehub kleiner als 3m ist.

Fazit: Wenn ihr wir oben überschlagen losfahrt, dann passt das locker. Und wenn man auf dem Prickenweg etwas schneller als 4 Knoten ist, dann ist man eben noch vor dem Hochwasser im Hafen (Punkt B im Bild). Da ist Luft genug in der Planung! Aber diese Rechnung soll ja für die sein, die das noch nie gemacht haben. Also mit einer extra Schippe Sicherheit. Noch ein paar Tipps:

  1. Folgt keinem Schiff, dessen Tiefgang ihr nicht kennt!
  2. Haltet euch an die Tonnen und Pricken, auch wenn euer Plotter o.ä. was anderes sagt. Die Realität zählt!
  3. Fahrt nicht zu nahe an den Pricken vorbei. Die stehen am Rand der Priele, nicht dort, wo es am tiefsten ist 🙂 Ungefähr eine gute Bootsbreite Abstand hat sich bewährt.
  4. Da die Entfernungen zwischen den Inseln immer so um diesen Dreh sind, kann man beim Inselhopping immer gut von „zwei Stunden vor Hochwasser“ ausgehen. Das wird passen!
  5. Zwischen Minsener Oog und Telegraphenbalje ist noch die Blaue Balje, da strömt das Wasser gut rein! Andererseits ankern auch viele gerne bei Wangerooge Ost…
  6. Bei der Hafeneinfahrt von Wangerooge ist rechts(östlich) eine grosse Sandbank, immer etwas links halten und erst an der Mole vorbei dann scharf rechts abbiegen.

Wenn man das dann ein, zwei mal gemacht hat, dann weiss man, worum es geht und man kann „spitzer“ planen. Zwei Wattenhochs sind durchaus möglich und wenn viel Westwind ist (BSH Wasserstandsvorhersage) noch mehr.

Fragen, Hinweise, Anregungen? Gern als Kommentar, dann haben da alle was von…

Nachtrag:
Es kam sogar eine Frage, aber leider nicht als Kommentar. Deswegen ergänze ich das eben hier, ist ja auch relativ wichtig:
„Prima Erläuterung bzgl. Wangerooge. Noch mal eine Frage zu den
Pricken. Die sind ja immer von See kommend. Bei Minsener Oog sind es
ja Backbord Pricken. Sind die von der Blauen Balje aus angelegt oder
von Minsener Oog? Bei der Einfahrt von Minsener Oog müssten die
Backbord Pricken ja an Steuerbord bleiben.“

Antwort:
Pricken sind nicht per se immer von See kommend, weil sie ja oft parallel zur See verlaufen, sondern die Richtung des Fahrwassers ist definiert und in den Karten dokumentiert. Dreiecke mit rotem und grünen Punkt geben die Richtung vor.

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